Die Energiewende und der Klimaschutz stellen Deutschland und die Welt vor große Herausforderungen. Um die klimapolitischen Ziele zu erreichen und gleichzeitig den wachsenden Bedarf an Nahrungsmitteln, Energie und Wasser zu sichern, sind innovative Lösungen notwendig. Eine solche Lösung bietet das Konzept der sogenannten Agrisolar-Systeme, bei dem Solarphotovoltaik (PV)-Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen installiert und koordiniert mit der landwirtschaftlichen Nutzung betrieben werden. Diese Symbiose zwischen Landwirtschaft und Solarenergie wirkt sich auf das komplexe Verhältnis zwischen Lebensmittelproduktion, Energieversorgung, Wasserverbrauch und ökonomischer Sicherheit der Landwirte aus. Die Grundidee hinter Agrisolar ist die Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen nicht nur für die Erzeugung von Nahrungsmitteln, sondern auch für die nachhaltige Stromproduktion durch Solar-PV-Anlagen.
Damit kann die landwirtschaftliche Nutzung mit der Energieerzeugung verbunden werden, wodurch Flächeneffizienz erhöht und verschiedene Vorteile realisiert werden können. Die Praxis kann von der sogenannten Agrivoltaik ausgehen, bei der Solarzellen über oder zwischen den Pflanzen installiert werden, bis hin zu angrenzenden Solarfeldern, die ehemals landwirtschaftlich genutzte Flächen ersetzen. Auswirkungen auf die Lebensmittelproduktion Die Installation von PV-Anlagen auf ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen führt zwangsläufig zu einer Reduzierung der direkten Nahrungsmittelproduktion auf dieser Fläche. Studien aus Regionen wie dem kalifornischen Central Valley zeigen, dass der Verlust an erzeugten Kalorien und Lebensmitteln zwar lokal relevant ist, regional oder global jedoch durch Marktmechanismen und Anpassungen in der Landwirtschaft kompensiert werden kann. In Deutschland und Europa ist die Flächenknappheit ähnlich ein großes Thema, weswegen die Flächenwahl für Agrisolar Projekte strategisch erfolgen muss, um die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln nicht zu gefährden.
Das Konzept erlaubt gleichzeitig, gewisse landwirtschaftliche Flächen, vor allem ertragsarme oder wasserintensive Kulturen, zumindest teilweise für die Solarenergieproduktion zu nutzen. Dies kann die Flächennutzung optimieren und insbesondere in wasserarmen Regionen den Druck auf den Anbau von Kulturen verringern, die besonders viel Bewässerung benötigen. Zusätzlich bieten Agrivoltaik-Systeme da, wo die Anlage direkt über den Pflanzen installiert wird, positive Mikroklimavorteile wie Schatten und Windschutz. Diese Mikroklimawirkung kann das Pflanzenwachstum sogar fördern, die Bodenfeuchtigkeit erhöhen und in einigen Fällen den Ertrag steigern. Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Lebensmittelproduktion ist die Sortenwahl und Anbauplanung.
Agrisolar Systemen ermöglichen es, unterschiedliche Kulturen besser zu integrieren und somit die Vielfalt und Effizienz der landwirtschaftlichen Nutzung zu erhöhen. Gleichzeitig kann der Schattenwurf zu Ertragseinbußen bei hitzeliebenden Pflanzen führen, was auf die Wahl des Standortes und das Design der PV-Anlagen abgestimmt werden muss. Wasserverbrauch und Wassermanagement Der Wassereinsatz in der Landwirtschaft ist ein entscheidender Faktor für Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. Da in landwirtschaftlichen Gebieten der größte Teil des Energieverbrauchs häufig auf die Bewässerung entfällt, wirken sich Agrisolar-Systeme doppelt positiv aus: Zum einen erzeugen sie erneuerbaren Strom, der zur Deckung des landwirtschaftlichen Eigenbedarfs, insbesondere für Bewässerungssysteme, verwendet werden kann. Zum anderen führt die Umwandlung von bewässerten Flächen in Solarparks zu einem direkten Einsparpotenzial bei der Wasserentnahme.
In wasserarmen Gebieten Deutschlands oder südeuropäischen Regionen ist die Reduktion des Wasserverbrauchs von besonderer Bedeutung. Die Einführung von Agrisolar-Anlagen auf intensiv bewässerten Flächen kann somit die Wasserressourcen nachhaltig entlasten. Zudem zeigen erste Forschungen, dass durch die Verschattung der PV-Module und reduzierte Verdunstung der Bodenfeuchtigkeit mehr erhalten bleibt, was den Wasserbedarf der Pflanzen verringert. Diese positiven Effekte können die Resilienz gegenüber Dürren erhöhen und die langfristige Verfügbarkeit von Wasserressourcen verbessern. Neben der direkten Einsparung durch weniger bewässerte Fläche birgt Agrisolar auch das Potenzial, landwirtschaftliche Flächen gezielt brachliegen zu lassen (Fallowing), um Wasser zu sparen und gleichzeitig durch Einnahmen aus Solarstrom die Zahlungsfähigkeit der Landwirte aufrechtzuerhalten.
Dieses Verfahren könnte sich in wasserstressgeplagten Regionen als nachhaltige Anpassung an den Klimawandel etablieren. Allerdings benötigen solche Lösungen eine fundierte Planung und Unterstützung durch politische Förderprogramme, die den Landwirten Anreize und Sicherheit geben. Energieerzeugung und ökonomische Sicherheit der Landwirte Agrisolar stellt nicht nur die Nahrungsmittel- und Wasserversorgung in den Fokus, sondern hat auch weitreichende ökonomische Auswirkungen für Bauern und Landbesitzer. Die Errichtung von Solar-PV-Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen eröffnet neue Einnahmequellen durch die Einspeisung von Solarstrom oder den Net Energy Metering (NEM) Mechanismus, bei dem erzeugter Strom auf dem Hof eigenverbraucht oder ins öffentliche Netz eingespeist wird. Für viele landwirtschaftliche Betriebe führt die Kombination aus direkter Stromerzeugung und Bewirtschaftung zu einer verbesserten wirtschaftlichen Stabilität.
Die Einnahmen aus Solarstrom können Ertragsschwankungen in der Landwirtschaft abfedern, insbesondere in Zeiten klimabedingter Ertragseinbußen. In den Studien aus Kalifornien konnte gezeigt werden, dass Landwirte mit kommerziellen Agrisolar-Projekten ihre Einnahmen im Lebenszyklus der Solaranlagen deutlich steigern konnten, teilweise um das 25-fache gegenüber den verlorenen landwirtschaftlichen Erlösen. Für größere, utility-scale Solarparks, die oft auf gepachteten Flächen betrieben werden, sind die Einnahmen weniger hoch als bei Eigenbetrieb durch Landwirte, da Einnahmen oft nur durch Pachtzahlungen generiert werden. Diese Zahlungen gleichen aber häufig nicht die komplett entfallenen Einnahmen aus landwirtschaftlicher Nutzung aus. Trotzdem bieten sie insbesondere in wasserarmen Gebieten eine attraktive Alternative zur risikoanfälligen und ressourcenintensiven landwirtschaftlichen Nutzung.
Die weiterentwickelten Preismodelle, steuerlichen Anreize und unterschiedliche Förderprogramme für erneuerbare Energien beeinflussen die Wirtschaftlichkeit von Agrisolar-Projekten stark. Die deutschen und europäischen Rahmenbedingungen entwickeln sich hier dynamisch. Die neuen Net-Metering-Regelungen, Einspeisevergütungen oder Förderungen zur Kombination von PV und Landwirtschaft sind wichtige Instrumente, um die Attraktivität dieser Technologie für landwirtschaftliche Betriebe zu erhöhen. Ökologische und gesellschaftliche Aspekte Neben den direkten Effekten auf Lebensmittel, Wasser und wirtschaftliche Sicherheit beeinflussen Agrisolar-Systeme auch die Umwelt und Gesellschaft. Die Installation von Solarfeldern auf Ackerflächen kann ökologische Lebensräume verändern und lokale Biodiversität beeinflussen.
Andererseits bieten gut geplante Agrisolar-Anlagen, die ökologische Flächen oder Blühstreifen integrieren, Chancen für neue Lebensräume für Bestäuber und andere wichtie Arten. Diese sogenannten Ecovoltaics kombinieren Solarenergie, Landwirtschaft und Naturschutz und können zusätzlichen gesellschaftlichen Nutzen stiften. Die Akzeptanz bei Landwirten und der Bevölkerung ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg von Agrisolar-Projekten. Studien zeigen, dass die Integration erneuerbarer Energien in landwirtschaftliche Prozesse die öffentliche Unterstützung erhöhen kann, insbesondere wenn Vorteile für lokale Gemeinschaften und Landwirte erkennbar sind. Die soziale Komponente umfasst auch die Flächenkonkurrenz und die wirtschaftliche Belastung kleiner und mittlerer Betriebe, die ihre landwirtschaftlichen Produktionsflächen verlieren könnten.
Daher ist es wichtig, die Umsetzung von Agrisolar nicht nur technisch und wirtschaftlich, sondern auch sozial verantwortlich zu planen und durchzuführen. Perspektiven und Herausforderungen für Deutschland In Deutschland ist das Potential für Agrisolar aufgrund der vergleichsweise kleinen landwirtschaftlichen Flächen und höheren Population sowie Energiebedarf hoch, jedoch komplex in der Umsetzung. Das enge Zusammenspiel von EU-Agrarpolitik, erneuerbaren Energien und Flächennutzung erfordert abgestimmte Strategien. Technische Herausforderungen betreffen die Anpassung von PV-Anlagen an landwirtschaftliche Prozesse, die Optimierung der Modulaufstellung, um Verschattung und Erntebehinderung zu minimieren, sowie die Integration von Speichersystemen. Gleichzeitig müssen gesetzliche Auflagen, Naturschutzbestimmungen und Fördervorgaben berücksichtigt werden.
Auch wirtschaftlich gibt es Unsicherheiten über die langfristigen Erträge, vor allem im Kontext sich ändernder Energiemärkte und Einspeisevergütungen. Für Landwirte sind zudem Investitionskosten und das erforderliche Know-how Hürden, die durch Beratung, Förderprogramme und öffentlich-private Partnerschaften überwunden werden können. Abschließend bietet die Entwicklung von Agrisolar in Deutschland die Chance, eine nachhaltige, multifunktionale Landnutzung zu etablieren, die den dringenden Herausforderungen des Klimawandels und der Ressourcensicherung gerecht wird. Mit einer sorgfältigen Planung und der Einbindung aller Beteiligten können sowohl ökologische als auch ökonomische Synergien realisiert und die Zukunftssicherheit der Landwirtschaft gestärkt werden.