Institutionelle Akzeptanz

Bewegung und Krebs: Warum Sport wichtig ist, aber kein Wundermittel bei Krebs

Institutionelle Akzeptanz
Exercise Is Great but It's Not a Cancer Drug

Bewegung hat zahlreiche positive Effekte auf die Gesundheit und kann auch bei Krebs Nachsorge unterstützen, doch sie ersetzt keine medizinische Krebstherapie. Die Differenzierung zwischen sportlicher Aktivität als gesundheitsfördernde Maßnahme und einer direkten Krebsbehandlung ist essenziell für Patienten und Fachleute.

Das Thema Bewegung und ihre Wirkung auf die Gesundheit wird häufig diskutiert, wobei Bewegungsmangel als einer der zentralen Risikofaktoren für viele chronische Erkrankungen gilt. Besonders bei Krebs rückt verstärkt die Frage in den Fokus, wie Sport die Erkrankung beeinflussen kann und ob Bewegung sogar als therapeutischer Faktor eine Rolle spielen könnte. Die jüngste Medienresonanz rund um die CHALLENGE-Studie weckte großes Interesse daran, dass strukturierte Bewegung einen Einfluss auf das Überleben von Krebspatienten haben könnte. Doch dieses Thema ist durchaus differenzierter und komplexer als es oftmals in den Schlagzeilen dargestellt wird. Bewegung ist gesund, aber sie ist kein Ersatz für eine gezielte, medizinisch fundierte Krebstherapie.

Die CHALLENGE-Studie untersuchte die Wirkung eines strikten, dreijährigen Bewegungsprogramms bei Patienten mit Darmkrebs nach Abschluss einer adjuvanter Chemotherapie. Dabei war das Ziel, die krankheitsfreie Überlebenszeit der Patienten zu verlängern. Die Studie zeigte signifikante Vorteile für die Gruppe, die ein intensives Bewegungsprogramm absolvierte, gegenüber der Kontrollgruppe, die lediglich allgemeine Gesundheitsinformationen erhielt. Die Ergebnisse waren beeindruckend und ließen viele Menschen euphorisch auf die vermeintliche „Heilkraft“ von Bewegung hoffen. Doch trotz der positiven Resultate sollte eine kritische Betrachtung nicht fehlen.

Das Programm der Studie war anspruchsvoll und beinhaltete zahlreiche Verhaltenstechniken, die Patienten halfen, konsequent dabei zu bleiben. Allerdings liegen einige Zweifel hinsichtlich der Realitätsnähe und der Übertragbarkeit der Studie auf die breite Bevölkerung nahe. Die Probandengruppe war vergleichsweise jung, leistungsfähig und konnte ein sehr intensives Programm absolvieren, das in der Praxis oft schwer umzusetzen ist. Zudem wird die Studie aufgrund der langsamen Rekrutierung und der abweichenden Ereignisrate als methodisch nicht ohne Weiteres einschränkungslos generalisierbar angesehen. Eine der wesentlichen Fragen ist die Plausibilität der berichteten Effekte.

Eine Reduktion der Sterblichkeit um 37 Prozent durch Bewegung allein ist beachtlich und kommt in ihrer Größenordnung an einige der wichtigsten medikamentösen Krebsbehandlungen heran. Das wirft unmittelbar Zweifel auf, da physiologische Effekte von reinem körperlichem Training eher graduell erwartet werden und ein solch starker Einfluss auf die Krebsentstehung oder -Rückfälle ungewöhnlich ist. Die objektiven Messgrößen für die tatsächliche gesteigerte körperliche Aktivität zeigten zudem kaum Unterschiede zwischen den Gruppen. Weder Körpergewicht noch Umfangsmaße veränderten sich nennenswert, und auch die Leistungsfähigkeit verbesserte sich vergleichsweise wenig. Darüber hinaus trennten sich die Überlebenskurven erst im Verlauf von mehr als einem Jahr, was bei einer so kurzen und moderaten Intervention mechanistisch schwer vorstellbar ist.

Dieses späte Auseinanderklaffen spricht dafür, dass möglicherweise andere Faktoren, etwa eine suboptimale Randomisierung oder selektive Studienausfälle, die Ergebnisse beeinflusst haben könnten. Ein weiterer Faktor ist die teilwiese mangelhafte Compliance der Teilnehmer, bei denen viele nicht in vollem Umfang am Trainingsprogramm teilnahmen, was die Wirkung des Programms durch Vermischung der Gruppen verringert. Die große Differenz in der Betreuung und Aufmerksamkeit der Übungsgruppe gegenüber der Kontrollgruppe birgt ebenfalls das Risiko eines sogenannten Performanzverzerrungseffekts. Intensive persönliche Betreuung kann selbst das subjektive Wohlbefinden, die Lebensqualität und auch indirekt gesundheitliche Ergebnisse verbessern, unabhängig von der eigentlichen Intervention. Daher ist es schwer, Bewegung als isolierten Faktor zu bewerten, wenn Begleitmaßnahmen und intensivere Betreuung nicht kontrolliert wurden.

Ein weiterer kritischer Punkt ist die Übertragbarkeit der Studienergebnisse in den Alltag. Die Patienten in der Studie waren fitter und jünger als der durchschnittliche Darmkrebspatient, der häufig bereits mehrfach vorbelastet und älter ist. Zudem ist das strenge Trainingsprogramm mit häufigen Präsenzterminen und intensiver Verhaltensmodifikation in der Realität vieler Patienten kaum umsetzbar. Dies hat erhebliche praktische Konsequenzen für die Breiteneinführung einer derartigen Therapie, die im klinischen Alltag finanziell und organisatorisch herausfordernd sein dürfte. Nicht zuletzt ist die fehlende Replikation der Ergebnisse durch weitere Studien ein noch offenes Feld.

Während Bewegung seit langem als gesundheitsförderlich und präventiv gilt, fehlen bisher große, methodisch robuste randomisierte Studien, die die Effekte von gezielter Bewegung als Therapie bei Krebs umfassend belegen. Die erhoffte Wunderwirkung von Sport als alternatives oder zusätzliches „Krebsmedikament“ bleibt daher spekulativ. Das bedeutet aber keineswegs, dass Bewegung keine Rolle bei Krebs hat. Zahlreiche Studien belegen, dass regelmäßige körperliche Aktivität das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen senken kann und Betroffene oft eine höhere Lebensqualität und verbesserte körperliche Funktion erleben. Zudem kann Bewegung helfen, Begleiterscheinungen der Krebstherapie wie Fatigue, Muskelschwäche und psychische Belastungen zu lindern.

Die Versorgung von Krebs-Patienten sollte sportliche Aktivität deshalb fördern, kontrolliert anleiten und als wichtigen Bestandteil der Nachsorge verstehen. Kritisch ist aber, dass Bewegung nicht als Ersatz, sondern nur als ergänzende Maßnahme neben etablierten Krebstherapien zu betrachten ist. Operation, Chemotherapie, Strahlentherapie oder immunonkologische Behandlungen haben klare Wirkmechanismen und Evidenzbasierungen, die durch Sport allein nicht erreicht werden können. Ändert man die Sichtweise und idealisiert Bewegung zu sehr als Wundermittel, entfremdet man Patientinnen und Patienten möglicherweise von evidenzbasierten Behandlungsangeboten. Die öffentliche Darstellung der Studienergebnisse verlangt daher Sachlichkeit und ein Bewusstsein für Nuancen.

Es ist nachvollziehbar, dass positive Schlagzeilen Begeisterung und Hoffnung wecken, doch medizinische Forschung basiert auf strengen Kriterien und dem ständigen Hinterfragen. Kritische Begutachtung der Studienmethodik, der realen Wirkung und der Übertragbarkeit der Ergebnisse sind unverzichtbar, um gesundheitliche Empfehlungen verantwortungsvoll zu geben. Für Menschen, die an Krebs erkrankt sind, sollte klar kommuniziert werden, dass Bewegung helfen kann, das Wohlbefinden zu steigern und die Gesundheit insgesamt zu fördern. Ebenso wichtig ist die Erfahrung, körperlich aktiv zu bleiben, wenn es die Krankheit und der Therapieverlauf zulassen. Nicht zuletzt sprechen auch präventive Aspekte dafür, Bewegung regelmäßig zu integrieren, um weiteren Erkrankungen vorzubeugen.

Gesellschaftlich haben Bewegung und gesunder Lifestyle große Bedeutung bei der Förderung der allgemeinen Gesundheit und der Entlastung des Gesundheitssystems. Der präventive Nutzen von Sport, insbesondere in Kombination mit einer ausgewogenen Ernährung und Vermeidung von Risikofaktoren wie Rauchen oder übermäßigem Alkoholkonsum, ist unumstritten. Gerade in der Onkologie ist Bewegung als Teil eines gesunden Lebensstils sinnvoll und empfehlenswert, aber nicht als alleinige Therapieoption. Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass Bewegung bei Krebs wichtig ist, jedoch nicht mit einem Krebsmittel verwechselt werden darf. Die Hoffnung auf sportliche Aktivität als alleinige oder primäre Therapie bei Krebs ist aktuell nicht durch wissenschaftliche Studien robust belegt.

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