In seinem neuen Buch "Going Infinite" konnte selbst der renommierte Autor Michael Lewis keinen Helden aus dem in Ungnade gefallenen Krypto-Milliardär Sam Bankman-Fried machen. Der Autor scheint sich mit seinem Material ungewöhnlich schwergetan zu haben, da seine üblichen Stärken in der Erzählkunst, dem komischen Timing und der charmanten Zuversicht nicht wie gewohnt zur Geltung kamen. Lewis stellt normalerweise einen unentdeckten Helden zum Anfeuern vor - sei es der engagierte Staatsdiener, der abtrünnige Baseball-Manager oder der kontroverse Investor, der sich nicht von der Hype blenden lässt. Beim ersten Treffen mit Bankman-Fried Ende 2021 war Lewis begeistert und rief seinem Freund zu, er solle unbedingt Geschäfte mit ihm machen. Doch mittlerweile steht Bankman-Fried vor Gericht, angeklagt wegen Betrugs, und das Buch wird am selben Tag veröffentlicht.
Obwohl Lewis diese Optimismus rückblickend als naiv bezeichnet, versucht er dennoch, Bankman-Fried als eine Art Helden zu porträtieren. Doch die Realität scheint anders zu sein, denn insbesondere seit dem Zusammenbruch des Krypto-Imperiums von Bankman-Fried im November letzten Jahres sollte klar sein, dass hier kein Heldentum zu finden ist. Lewis reiste hin und her von den Bahamas, Bankman-Frieds Standort, und hatte dennoch keinen klaren Durchblick. "Bis in die letzten Tage des Oktober 2022 hätten Sie bis zum Umfallen die Dschungelhütten durchsuchen können, ohne irgendeinen Hinweis auf Probleme" sagt Lewis. Doch schon im April hatte Bankman-Fried in einem berüchtigten Interview mit Matt Levine von Bloomberg fast zugegeben, dass die Kryptoindustrie - das Rückgrat von Bankman-Frieds Imperium - einem Schneeballsystem gleicht.
Es ist bemerkenswert, dass das Buch von Zeke Faux, "Number Go Up", eine skeptische Sicht auf Krypto bietet, während "Going Infinite" hartnäckig naiv bleibt. Bankman-Fried versuchte sich stets als anderer Krypto-Typ zu präsentieren, der vegan war, weil er sich für die Erde interessierte, und der auf einem Sitzsack vor seinem Schreibtisch schlief, weil ihm persönlicher Komfort egal war. Im Jahr 2017 half er bei der Gründung einer Krypto-Handelsfirma, Alameda Research, und baute zwei Jahre später eine Krypto-Futures-Börse, FTX, auf, weil er ein effektiver Altruist war, dessen Ziel es war, enorme Geldbeträge für wohltätige Zwecke zu spenden. Es scheint, als ob selbst ein Meister wie Michael Lewis keine glanzvolle Erzählung um Bankman-Fried herumweben konnte - ein Beweis für die rätselhafte Natur dieses bisher unbekannten Tycoons der Kryptowelt. Lewis' Buch wirft Fragen auf, wie Leichtgläubigkeit und Selbsttäuschung manchmal selbst erfahrene Autoren wie ihn dazu bringen können, einem fragwürdigen Protagonisten zu vertrauen.
In einer Zeit der Krypto-Höhen und -tiefen bleibt die Geschichte von Sam Bankman-Fried ein Kapitel im Buch der unvorhersehbaren Realität der digitalen Finanzwelt.