Circle Inc., bekannt als der Herausgeber des populären USDC-Stablecoins, hat mit seinem Börsengang im Jahr 2025 für einiges Aufsehen gesorgt. Das Unternehmen stellte eine IPO-Struktur vor, bei der deutlich mehr Aktien von bestehenden Anteilseignern verkauft werden als von der Gesellschaft selbst. Ein solches Modell ist im Technologiebereich äußerst ungewöhnlich und erinnert stark an das notorische Facebook-IPO aus dem Jahr 2012. Damals verkauften die Gründer und frühe Investoren ebenfalls den Großteil der Aktien, was Käufer und Markt gleichermaßen überraschte.
Bei Circle fiel der Anteil sogar noch etwas höher aus: Rund 60 Prozent des Angebots stammen von früheren Investoren, während lediglich 40 Prozent neue Aktien des Unternehmens sind. Dieses Merkmal ist ein Fenster in die Dynamiken von Venture-Capital-Finanzierungen, den aktuellen Herausforderungen bei Börsengängen sowie der Situation auf dem Kryptomarkt und in der Welt der Tech-Investitionen. Circle wurde 2013 von Jeremy Allaire und Sean Neville gegründet und hat sich seitdem als eine der führenden Firmen im Bereich digitaler Währungen und Stablecoins etabliert. USDC ist heute einer der meistgenutzten Stablecoins weltweit, eine digitale Währung, die an den US-Dollar gekoppelt ist, um Volatilität zu minimieren. Das Unternehmen ist profitabel und meldete im letzten Quartal einen Nettogewinn von 64,8 Millionen US-Dollar sowie liquide Mittel von fast 850 Millionen US-Dollar.
Trotz dieser soliden finanziellen Basis hält sich Circle aber mit der Ausgabe neuer Aktien beim Börsengang sehr zurück und ermöglicht vor allem den Gründern, Direktoren und Risikokapitalgebern Aktien zu verkaufen. Diese Strategie ist bemerkenswert und wirft Fragen auf: Warum veräußert das Unternehmen so viele Anteile durch bestehende Investoren? Ein wesentlicher Grund liegt in den aktuellen Marktbedingungen. Nach dem Höhepunkt technologischer Bewertungen im Jahr 2021 folgte eine Phase steigender Inflation und erhöhter Zinssätze, die zu einem Rückzug von risikoreichen Anlagen führte. Viele Tech-Firmen verschoben oder verschlechterten deshalb ihre Börsengänge. Die Venture-Capital-Gesellschaften, die über Jahre in solche Start-ups investiert haben, benötigen nun dringend Liquidität, um ihre eigenen Investoren auszuzahlen.
Der Verkauf großer Aktienanteile im Rahmen von Circle’s IPO spiegelt diese Notwendigkeit wider, insbesondere in einem Umfeld, in dem der IPO-Markt für Technologieunternehmen ausgetrocknet ist. Der Vergleich mit Facebooks IPO 2012 liefert wichtige Kontextinformationen. Damals wurde ein Rekordvolumen von 16 Milliarden US-Dollar eingesammelt, wobei 57 Prozent der Aktien von bestehenden Investoren verkauft wurden. Facebook hatte damit einen seltenen Weg gewählt, der sowohl Chancen als auch Risiken barg – gleichzeitig ermöglichte er den frühen Investoren schnelle Kapitalauszahlungen. Circle übertrifft diesen Anteil sogar mit 60 Prozent vom Angebot aus Altbeständen, was in technikorientierten Börsengängen außergewöhnlich ist.
Andere erwähnenswerte Technologiefirmen wie Reddit oder Instacart weisen deutlich geringere Anteile von Aktienverkäufen durch bestehende Investoren auf, was die Einzigartigkeit von Circles IPO-Strategie weiter unterstreicht. Während in Boomphasen neue Tech-Ipos oft überwiegend frisches Kapital über neue Aktien ausgeben, verkaufen heute Investoren häufiger Anteile, um sich auf einem volatilen Markt zu repositionieren oder Verluste zu begrenzen. Dieser Umstand ist nicht nur ein Signal für die Investoren selbst, sondern beeinflusst auch die Marktliquidität nach dem Börsengang. Indem Circle den Altinvestoren erlaubt, einen großen Teil ihrer Aktien zu veräußern, wird die Zahl der öffentlich handelbaren Aktien erhöht, was für die Marktentwicklung nach dem IPO von entscheidender Bedeutung sein kann. Ohne diesen Schritt wäre die Float-Quote, also der verfügbare Aktienanteil für den Handel, äußerst gering und das Handelvolumen entsprechend niedrig.
Dies hätte negative Effekte für die Kursbildung und die Attraktivität der Aktie gehabt. Während Insiderverkäufe bei IPOs mitunter ein Warnsignal an die Investoren sein können, dass die Führungsetage oder Großaktionäre an Wertverlust oder zukünftigen Schwierigkeiten zweifeln, ist die Lage bei Circle differenzierter. Experten, darunter IPO-Berater wie Lise Buyer, weisen darauf hin, dass trotz der Verkäufe eine substanzielle Restbeteiligung der Investoren besteht, was deren anhaltendes Vertrauen in die Unternehmensentwicklung verdeutlicht. Die Gründer und Führungskräfte behalten weiterhin bedeutende Anteile, so dass ihre Interessen mit denen der neuen Aktionäre weitgehend übereinstimmen dürften. Der Erfolg und die Profitabilität von Circle in einem Marktumfeld, das für Kryptowährungen und technologische Innovationen seit Jahren von Unsicherheiten geprägt ist, stellen zudem einen starken Anker für die Bewertung dar.
Das Unternehmen hat sich strategisch darauf eingestellt, nicht nur als Stablecoin-Emittent positiv aufzufallen, sondern auch als First-Mover im Bereich der Blockchain-Regulierung und der digitalen Zentralbankwährungen. Damit positioniert es sich als Brücke zwischen traditionellem Finanzwesen und der Kryptoökonomie. Die Dynamik bei Circle spiegelt auch den weiteren Trend bei Kryptowährungsunternehmen wider, sich über traditionelle Kapitalmärkte stärker zu finanzieren und zu legitimieren. Der Gang an die Börse ist für viele dieser Firmen ein Schritt zur Erhöhung der Transparenz und zur Erfüllung regulatorischer Anforderungen. Gleichzeitig jedoch ist der Kryptomarkt volatil und unterliegt regulatorischen Unwägbarkeiten, die das Investorenverhalten in IPO-Phasen stark prägen.
Analysten sehen in Circles besonderer IPO-Struktur außerdem ein Spiegelbild allgemeiner Marktveränderungen außerhalb der Cyberwelt. Die Liquiditätsknappheit bei Risikokapitalfirmen, der Abbau von Bewertungen und das vorsichtige Verhalten institutioneller Anleger machen IPOs heute zu spannenden Events mit ungewöhnlichen Charakteristika. Zwar sind neue Aktienemissionen in vielen Sektoren nach wie vor beliebt, doch die Zusammenstellung der angebotenen Stücke verschiebt sich oft hin zu Verkäufen durch Altaktionäre. Abschließend lässt sich sagen, dass Circles Börsengang eine seltene Kombination aus dauerhafter Geschäftsstärke und spannungsreichem Investorenverhalten darstellt. Die Parallele zu Facebook 2012 bietet einen historischen Bezugspunkt, der jedoch durch die Besonderheiten der Kryptowelt und die aktuellen finanziellen Rahmenbedingungen erweitert wird.
Für Investoren sind das Chancen und Risiken zugleich: Auf der einen Seite steht ein erfahrener Marktteilnehmer mit einem starken Produkt, auf der anderen Seite eine IPO-Struktur, die ungewöhnlich viele Altaktionäre zu Verkäufen veranlasst. Dieser Balanceakt wird die Bewertung des Unternehmens und die zukünftige Entwicklung der Aktie nicht unwesentlich beeinflussen. Circle setzt mit seinem IPO ein Zeichen: Selbst etablierte Kryptowährungsunternehmen suchen verstärkt nach maßgeschneiderten Wegen, um sich an der Börse zu positionieren und gleichzeitig den Erwartungen ihrer Investoren gerecht zu werden. Dieses Modell könnte in den kommenden Jahren weitere Nachahmer finden und das Marktgefüge für Tech- und Krypto-IPO nachhaltig verändern.