Die Lidar-Technologie hat in den letzten Jahren eine immense Bedeutung in Bereichen wie autonomem Fahren, Robotik und 3D-Kartografie gewonnen. Lidar-Systeme erfassen Umgebungen als Punktwolken, die allerdings häufig unvollständig sind, da Hindernisse, Reichweitenbegrenzungen und Umgebungsbedingungen mitunter Datenlücken erzeugen. Diese sogenannten unvollständigen Punktwolken beeinträchtigen die nachfolgende Verarbeitung und Analyse erheblich. Daher ist die sogenannte Szenenvollendung (Scene Completion) ein essenzieller Schritt, der darauf abzielt, fehlende Bereiche in den gescannten Punktwolken zu rekonstruieren und so eine vollständige Darstellung der Umgebung zu ermöglichen. Traditionell wurden für die Szenenvollendung neuronale Netze eingesetzt, die auf unterschiedlichen Eingaben wie Bildern oder voxelisierten Daten basieren.
In jüngerer Zeit haben sich Diffusionsmodelle, insbesondere die Denoising Diffusion Probabilistic Models (DDPMs), als äußerst vielversprechend herausgestellt. Diffusionsmodelle generieren Daten schrittweise aus reinem Rauschen heraus und sind daher in der Lage, realistische und detailreiche Ergebnisse zu produzieren. Die Herausforderung liegt jedoch darin, diese Modelle direkt auf Lidar-Punktwolken im Maßstab ganzer Außenszenen anzuwenden, da dabei feingranulare Details über weite Sichtfelder generiert werden müssen, was technisch komplex ist. In diesem Kontext wurde das Konzept von LiDPM vorgestellt, eine innovative Methode zur Neugestaltung der Punktdiffusion für die Lidar-Szenenvollendung. LiDPM schlägt vor, die bisher dominierende Vorstellung zu hinterfragen, dass Diffusionsmodelle für die Szeneergänzung mit lokalen Diffusionsprozessen arbeiten müssen.
Bisherige Arbeiten haben Diffusion oft auf Objektebene angewandt, indem sie sich auf einzelne Entitäten innerhalb der Szene konzentrierten. Diese Herangehensweise führte zum Einsatz sogenannter lokaler Diffusionsmodelle, welche approximative Vereinfachungen beinhalteten, um die Komplexität handhabbar zu machen. LiDPM argumentiert, dass viele dieser approximativen Methoden nicht zwingend notwendig sind, um auf der Szenenebene effektiv zu arbeiten. Das zentrale Konzept hinter LiDPM ist, dass ein klassisches DDPM – also ein vanilla Diffusionsmodell – direkt auf der gesamten Szene operieren kann, sofern der Startpunkt für den Diffusionsprozess sorgfältig gewählt wird. Dieser wohlüberlegte Startpunkt ist entscheidend, denn der Diffusionsprozess beginnt nicht einfach mit reinem Rauschen, sondern mit einer sinnvoll vorverarbeiteten Eingabe, welche die Szene grundlegend darstellt und somit das Erlernen und die Rekonstruktion der fehlenden Bereiche erleichtert.
Die Vorteile dieses Vorgehens sind vielfältig. Zum einen entfallen die Restriktionen und Heuristiken, die lokale Diffusionsansätze mit sich bringen. Zum anderen ermöglicht die Anwendung eines unmodifizierten DDPMs auf Szenenebene die Modellierung von globalen Zusammenhängen und Strukturen innerhalb der Szene besser als isolierte Objektbetrachtungen. Das Team hinter LiDPM testete die Methode ausführlich auf dem SemanticKITTI-Datensatz, einem der bekanntesten und umfangreichsten Datensätze für Lidar-basierte Szenenverarbeitung im Außenbereich. SemanticKITTI stellt komplexe Straßen- und Stadtumgebungen dar und bietet eine solide Grundlage, um Methoden zur Szenenvollendung auf ihre Leistungsfähigkeit hin zu bewerten.
Die Ergebnisse zeigen, dass LiDPM herkömmliche Methoden in der Qualität der Rekonstruktion übertrifft und gleichzeitig eine robustere und detailliertere Erfassung von fehlenden Datenbereichen ermöglicht. Durch die Nutzung der Diffusionsmodellarchitektur profitieren Anwender außerdem von der inhärenten Fähigkeit dieser Modelle, kohärente und realitätsnahe Punktwolken zu generieren. In Kombination mit der neuen Methodik von LiDPM bedeutet dies, dass die Rekonstruktionen nicht nur vollständig, sondern auch strukturtreu und visuell überzeugend sind. Dies ist besonders im Kontext autonomer Fahrzeuge von Bedeutung, bei denen eine präzise und zuverlässige Umgebungsdarstellung überlebenswichtig sein kann. Neben direkten praktischen Anwendungen profitiert auch die wissenschaftliche Gemeinschaft von den Erkenntnissen, die LiDPM liefert.
Indem es die Grenzen des Einsatzes von Diffusionsmodellen erweitert, öffnet es neue Forschungsfelder und regt alternative Denkansätze an. Die Erkenntnis, dass komplexe lokale Approximierungen nicht zwingend notwendig sind, könnte in anderen Bereichen der 3D-Datenverarbeitung ebenfalls neue Impulse setzen. Ein weiterer interessanter Aspekt ist die potenzielle Erweiterbarkeit des Modells. Da LiDPM ein allgemeines Diffusionsmodell verwendet, kann es theoretisch problemlos mit weiteren Modulen kombiniert werden, etwa mit semantischen Segmentierungsansätzen oder mit datengetriebenen Optimierungen, die die Detailtreue und Robustheit weiter steigern. Zudem bietet sich eine Integration mit anderen Sensorquellen an, die zusätzliche Informationen liefern, um die Szene noch präziser zu rekonstruieren.
Ein Blick auf zukünftige Perspektiven zeigt, dass die Weiterentwicklung von LiDPM oder vergleichbaren Ansätzen auch das Potenzial hat, in Bereichen jenseits der autonomen Mobilität eingesetzt zu werden. Denkbar sind Anwendungen in der Architektur, im Kulturerbe, in der Stadtplanung oder in der Robotik für komplexe Umgebungen. Überall dort, wo eine zuverlässige und vollständige Erfassung von 3D-Szenen notwendig ist, kann LiDPM einen Beitrag leisten. Abschließend lässt sich festhalten, dass LiDPM eine innovative und vielversprechende Methode darstellt, um die Lidar-Szenenvollendung nachhaltig zu verbessern. Die Neuausrichtung des Diffusionsprozesses auf Szenenebene ohne lokale Approximationen, kombiniert mit einem cleveren Ausgangspunkt für das Modell, erlaubt eine realistischere und genauere Rekonstruktion von Punktwolken.
Dies zeigt exemplarisch, wie moderne Forschungsmethoden in der künstlichen Intelligenz und dem maschinellen Lernen eingesetzt werden können, um praktische Probleme in der realen Welt effizienter zu lösen und neue Standards zu setzen.