Vögel haben eine ganz besondere Magie: Sie ziehen Menschen in ihren Bann, egal ob als Hobby, Leidenschaft oder wissenschaftliches Interesse. Während der Lockdowns entdeckten viele Menschen weltweit ihre Begeisterung für das Beobachten und Klassifizieren von Vögeln. Diese Leidenschaft bringt einen nicht nur in Einklang mit der Natur, sondern führt auch manchmal zu verblüffenden Entdeckungen und kritischen Blicken auf Popkultur und Medien, in denen Vögel dargestellt werden. Ein besonders ungewöhnliches und zugleich humorvolles Beispiel dafür ist die Darstellung eines bestimmten Vogels im Film ,,Charlie’s Angels“ aus dem Jahr 2000 – dem sogenannten Zwergsittich oder auf Englisch „Pygmy Nuthatch“. Was genau ist an diesem kleinen Vogel so außergewöhnlich, dass er einem ganzen Artikel wert ist? Und wie kam es dazu, dass dieser Vogel auf der Leinwand so falsch dargestellt wurde, dass es Vogelliebhabern bis heute Rätsel aufgibt? In der erwähnten Filmszene sieht man, wie die drei Hauptfiguren von ,,Charlie’s Angels“, gespielt von Cameron Diaz, Drew Barrymore und Lucy Liu, durch die Trümmer ihrer Zentrale gehen, während sie versuchen, ihren entführten Helfer Bosley (Bill Murray) zu retten.
Ein Vogel fliegt zum Fenster der Gefängniszelle, aus der Bosley eingesperrt ist, und singt. Cameron Diaz’ Charakter identifiziert den Vogel als ,,Pygmy Nuthatch“, der angeblich nur an einem einzigen Ort, in Carmel, Kalifornien, lebt. Dieses Detail soll den Ermittlerinnen den entscheidenden Hinweis geben, wo sich Bosley befindet. Was folgt, ist eine wahre Vogelfilm-Katastrophe: Erstens lebt der Zwergsittich keineswegs nur an einem einzigen Ort: Er ist in mehreren Bundesstaaten der USA verbreitet und auch in anderen Ländern zu finden. Zweitens sieht der gezeigte Vogel auf der Leinwand nicht aus wie ein Zwergsittich.
Stattliches Schwarz kombiniert mit Neonorange fällt sofort auf – es handelt sich tatsächlich um einen venezolanischen Troupial, eine Vogelart aus Südamerika, die sehr viel größer und bunter als der unscheinbare Zwergsittich ist. Drittens aber ist der auf dem Soundtrack zu hörende Vogelgesang weder die eines Zwergsittichs noch des venezolanischen Troupials. Es ist die Melodie eines völlig anderen Vogels, der bis heute ein Geheimnis geblieben ist. Diese bizarre Mischung macht die Szene für Vogelkenner zu einem unfassbaren Fehler, den man so selten in Hollywood findet. Doch wie konnte es passieren, dass ein Film mit einem Budget von fast 100 Millionen US-Dollar sich bei der Darstellung eines solchen Details derart vertut? Die Antwort ist ein komplexes Geflecht aus Produktionsentscheidungen, gesetzlichen Vorgaben und den typischen Schwierigkeiten von großen Filmprojekten.
Ursprünglich spielte die Szene mit einem anderen Vogel, dem ʻiʻiwi, einem auffällig roten hawaiianischen Vogel, der tatsächlich nur auf Hawaii vorkommt. Diese erste Version war wissenschaftlich korrekt, aber die Dreharbeiten mussten an einen älteren Ort näher an Hollywood verlegt werden. Somit wurde der Vogel aus Hawaii unbrauchbar für die Geschichte. Daraufhin wurde die Vogelart geändert, etwa zu einem Loggerhead Shrike, der zwar eine gewisse regionale Bedeutung hatte, aber farblich nicht stimmte. Später folgten weitere Änderungen, unter anderem wurde sogar eine erfundene Vogelart namens „Blue-Spotted Egret“ ins Drehbuch geschrieben, die es gar nicht gibt.
Das Drehbuch befand sich während der Produktion in einem ständigen Wandel, an dem viele Autoren beteiligt waren – kaum eine Szene wurde ohne zahlreiche Überarbeitungen abgeschlossen. Von den ursprünglichen Skriptautoren bis hin zu insgesamt 17 beteiligten Schreibkräften kamen viele verschiedene Ideen und Fehler zusammen, die den Fehler mit dem Zwergsittich begünstigten. Für einen der Drehbuchautoren war der Name Zwergsittich wohl einfach ein lustiges Wortspiel mit dem Wort „Nut“ („Nuss“), was dem Film seinen speziellen Charme und Humor verlieh. Als es um die praktische Umsetzung ging, stießen die Tiertrainer jedoch auf weitere Probleme. Zwergsittiche sind kleine, unauffällige Vögel und vor allem: sie sind geschützte Arten gemäß dem Migratory Bird Treaty Act von 1918, einem Gesetz, das den Schutz einheimischer nordamerikanischer Vögel garantiert und das Halten oder Nutzen dieser Arten in Filmen stark reglementiert.
Tiertrainer durften legal keine heimischen Arten verwenden und mussten auf exotische, rechtlich unproblematische Alternativen zurückgreifen. So wählten sie den venezolanischen Troupial, einen farbenfrohen Vogel, der das von den Produzenten gewünschte exotische Aussehen bot, obwohl er biologisch gesehen nicht an den Drehorten vorkommt und schon gar nicht zur Geschichte passt. Doch die filmische Verwirrung war nicht bei Bild und Vogelart zu Ende. Der Vogelgesang war eine dritte Komponente des Filmvogels und wurde von einem komplett anderen Vogel eingespielt. Die Tonspur entpuppte sich als eine Aufnahme des Gesangs eines Fox Sparrow (Fuchssperlings), und zwar eines speziellen Unterart aus Kalifornien.
Die Aufnahmen stammen sogar von einem bestimmten Individuum, das 1990 in Oregon aufgenommen worden war. Dieser konkrete und für Laien kaum erkennbare Vogelgesang wurde zudem noch digital bearbeitet – einzelne Abschnitte wurden herausgeschnitten und mehrfach kopiert, um mit der Handlung besser zu harmonieren. Im Film hört man daher einen Vogellaut, der weder visuell noch akustisch stimmig mit dem gezeigten Vogel ist. Die verantwortlichen Filmemacher hatten aus praktischen, rechtlichen und künstlerischen Gründen also eine Mischung aus verschiedenen Vogelarten zusammengestellt. Diese Kompromisse sind zwar für die Filmbranche verständlich, doch sie haben Experten und Vogelbegeisterte weltweit seither beschäftigt und für erheiterte Verwirrung gesorgt.
Der Regisseur McG selbst zeigte sich überrascht von den Vogelfehlern, hatte aber Verständnis für die komplexe Situation. Er versicherte, dass jede Entscheidung aus Notwendigkeit getroffen wurde: So war es aufwendig, den echten Zwergsittich für Dreharbeiten zu verwenden, zumal dieser die hohen technischen Anforderungen kaum erfüllen konnte. Die Produktion stand zudem unter großem Zeit- und Budgetdruck, sodass Kompromisse unausweichlich waren. Dabei war McG die Ironie der Situation nicht entgangen: Der Name „Zwergsittich“ passt mit seinem übertriebenen Humor und Charme perfekt zum Flair von ,,Charlie’s Angels“. Dieses Filmbeispiel ist nicht nur eine amüsante Anekdote für Vogelkenner, sondern offenbart die schwierigen Zusammenhänge bei der Darstellung der Natur in Medien.
Hollywood muss oft zwischen Authentizität, künstlerischen Freiheiten und gesetzlichen Beschränkungen abwägen. Das führt zu manchmal skurrilen Resultaten, die durch diese Geschichte anschaulich gemacht werden. Darüber hinaus erinnern solche Fehler auch an die Bedeutung von Artenschutz und die Herausforderungen, die daraus für Filme, Dokumentationen und andere Medienprojekte entstehen. Der Schutz heimischer Vogelarten führte dazu, dass Tiere nicht frei für Dreharbeiten verwendet werden dürfen. Diese Regelungen sind das Resultat langer historischer Entwicklungen, in denen Vogelfang und -abschlachtung für Hüte, Schmuck und Nahrungsmittel in gigantischem Ausmaß stattfanden.
Der geschützte Status sollte das Artensterben verhindern. Das Beispiel des Zwergsittichs in ,,Charlie’s Angels“ ist somit auch ein Spiegelbild des ethischen Umgangs mit unserer Natur – selbst in der Unterhaltungsindustrie. Die Geschichte hinter dem Film-Zwergsittich hat viele Menschen fasziniert, die sie als eine Mischung aus Krimi, Komödie und Naturkunde betrachten. Für den Journalisten Forrest Wickman bedeutete die Recherche zur Szene eine monatelange Spurensuche, Interviews mit Drehbuchautoren, Tiertrainern, Sounddesignern und Vogelspezialisten. Dabei konnte er nicht nur die Hürden der Filmproduktion beleuchten, sondern auch auf erstaunliche technische Details wie die Nutzung von Vogelgesangs-Spektrogrammen und moderner KI-Forschung eingehen, um den mysteriösen Vogel zu identifizieren.
Diese investigative Arbeit hat dazu beigetragen, das Verständnis für den Zwergsittich und die Gesamtgeschichte zu vertiefen. Es zeigt sich, wie ein scheinbar kleinster Fehler in einem großen Projekt doch vielschichtige Ursachen haben kann. Es steht symbolisch für die Schwierigkeiten, die entstehen, wenn Wissenschaft, Kunst und Gesetzgebung aufeinandertreffen. Abschließend ist das Phänomen des irreführenden Zwergsittichs in ,,Charlie’s Angels“ mehr als nur ein lustiger Fehler in einem Actionfilm. Es ist eine spannende Geschichte über den Einfluss von Gesetzgebung zum Schutz von Vögeln, die Komplexität von Filmprozessen, das kreative Streben nach Authentizität und den menschlichen Umgang mit der Natur.
Für Vogelliebhaber, Filmenthusiasten und Naturschützer gleichermaßen bietet dieses Beispiel eine lehrreiche und unterhaltsame Perspektive auf den unscheinbaren Zwergsittich und seinen kuriosen Auftritt in der Traumfabrik.