Im frühen Januar 1857 geschah in Washington D.C. etwas, das bis heute zu den mysteriösesten Krankheitsausbrüchen der amerikanischen Geschichte zählt: Die sogenannte National Hotel Krankheit begann eine Vielzahl von Hotelgästen zu befallen. Das National Hotel galt damals als das größte und renommierteste Hotel der Hauptstadt der Vereinigten Staaten. Allerdings wurde dieses Ansehen durch die plötzliche und unerklärliche Erkrankung vieler Besucher getrübt, wovon einige sogar ihr Leben verloren.
Bis zu 400 Erkrankte und fast drei Dutzend Todesfälle wurden dokumentiert, doch die genaue Ursache des Ausbruchs konnte nie endgültig geklärt werden. Dieses historische Ereignis wirft ein Licht auf die medizinischen Kenntnisse und die hygienischen Zustände des 19. Jahrhunderts und bleibt bis heute Gegenstand intensiver Untersuchungen und Spekulationen. Die Symptomatik der Erkrankung war charakteristisch und für die Betroffenen äußerst belastend. Die Patienten litten vor allem an anhaltendem Durchfall, begleitet von heftigen Bauchschmerzen und plötzlicher körperlicher Schwäche.
Übelkeit war ebenfalls weit verbreitet, ebenso wie eine auffällige Rötung der Zunge, die auf eine Entzündung der Magenschleimhaut hinwies. Die Beschwerden begannen meist früh am Morgen und dauerten teils mehrere Tage an. Anfänglich trat der Durchfall auf, gefolgt von Erbrechen, sobald die ersten Symptome sich langsam legten. Ein herausragendes Beispiel für die Schwere der Erkrankung liefert die Geschichte von Major George McNeir, einem 64-jährigen Politiker aus Washington. Nach dem Verzehr einer Mahlzeit im Hotel setzte die Krankheit unmittelbar ein, ohne dass eine erkennbare Inkubationszeit verging.
Seine gesundheitliche Verfassung verschlechterte sich rasch, bis er schließlich daran verstarb. Eine Autopsie wurde von Dr. Jas J. Waring durchgeführt, der keine eindeutige Ursache, aber schwere gastrointestinale Entzündungen feststellte. Die National Hotel Krankheit breitete sich vor allem in der Speisesaal-Gegend des Hotels aus, während die Barbereiche scheinbar weniger betroffen waren.
Dies war ein Hinweis darauf, dass der Ausbruch möglicherweise mit dem Essen oder der unmittelbaren Umgebung des Speisesaals zusammenhing. Zu dieser Zeit wurden zahlreiche Theorien über die Ursache des Ausbruchs diskutiert. Einige externe Beobachter und Medien sprachen von einer möglichen Vergiftung der Gäste. Diese Hypothese wurde dabei sowohl als bewusste Schädigung durch Gift als auch als eine unabsichtliche Kontamination durch toxische Stoffe diskutiert. Konkret wurde Arsen als Gift in Betracht gezogen, da es Berichte gab, dass dieses Mittel zur Bekämpfung von Rattenplagen im Hotel eingesetzt worden war.
Dennoch konnte die Anwesenheit von Arsen in den Körpern der Erkrankten nicht zweifelsfrei belegt werden. Ebenso wurde die Möglichkeit einer Wasservergiftung erörtert, doch diese Theorie wurde verworfen, da das Trinkwasser des National Hotels von externen Quellen bezogen wurde und nur der Wasservorrat im Gebäude für Reinigungszwecke verwendet wurde. Eine weitere wissenschaftliche Erklärung stützte sich auf die damals gängige Vorstellung von Miasmen – giftigen Gasen, die von zerfallendem organischem Material ausgingen und Krankheiten hervorrufen sollten. Eine Untersuchungskommission der Stadt Washington stellte fest, dass aus einem nahegelegenen Abwasserkanal stark übelriechende Gase in das Hotel eindrangen. Diese wurden sogar so stark geschätzt, dass sie eine Kerzenflamme zum Erlöschen brachten.
Es konnte gezeigt werden, dass die Hotelabwasseranlage veraltet und schlecht gewartet war, was die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch verseuchte Luft erhöhte. Heutzutage betrachten Mediziner den Ausbruch im National Hotel als Beispiel einer dysenterischen Erkrankung, welche durch unhygienische Bedingungen insbesondere im Abwassersystem ausgelöst wurde. Dysenterie, eine schwere Darminfektion, führte damals unbehandelt häufig zum Tod. Der damalige Mangel an sauberen Wasser- und Abwassersystemen sowie das begrenzte medizinische Wissen trugen dazu bei, dass sich Krankheiten auf engstem Raum schnell ausbreiteten. Das National Hotel selbst wurde später durch verschiedene Ereignisse stark beschädigt.
Gebaut in den späten 1820er Jahren, war es über Jahrzehnte ein wichtiger gesellschaftlicher Knotenpunkt im Herzen von Washington D.C. Nach mehreren Zwischenfällen, darunter einem verheerenden Brand im Jahr 1921, wurde das Hotel schließlich 1942 abgerissen. An seiner Stelle entstand später das Newseum, ein Museum für Mediengeschichte, welches bis Dezember 2019 Bestand hatte. Mehrere prominente Persönlichkeiten gehörten zu den Opfern der National Hotel Krankheit.
Unter ihnen befanden sich Mitglieder des amerikanischen Kongresses, welche die Krankheit besonders traf. Zum Beispiel starb John Montgomery aus Pennsylvania, ein Abgeordneter, im April 1857 infolge der Krankheit. Ebenso verstarb John Quitman aus Mississippi im Jahr 1858, nachdem er unter den Nachwirkungen der Erkrankung gelitten hatte. Früher hatte er als General im Mexikanisch-Amerikanischen Krieg gedient. Auch der ehemalige Kongressabgeordnete David Robison aus Pennsylvania war ein Betroffener, dessen Komplikationen aus der Erkrankung im Juni 1859 zum Tod führten.
Besonders tragisch war auch der Verlust von James Buchanans Neffen, der als persönlicher Sekretär für den zukünftigen Präsidenten vorgesehen war, aber ebenfalls der National Hotel Krankheit zum Opfer fiel. Diese Verluste politischer Persönlichkeiten verdeutlichen, wie gravierend und weitreichend die Auswirkungen des Gesundheitsvorfalls waren. Die National Hotel Krankheit von 1857 zeigt beispielhaft, wie anfällig selbst wohlhabende Gäste in großen städtischen Einrichtungen jener Zeit gegenüber Infektionskrankheiten waren. Sie spiegelt auch die begrenzten medizinischen Möglichkeiten und Hygienestandards wider, die die amerikanische Gesellschaft in der Mitte des 19. Jahrhunderts prägten.
Die Epidemie ist ein frühzeitiges Beispiel für die Bedeutung von Wasserversorgung, Abwasserentsorgung und sanitären Maßnahmen als Grundpfeiler für die öffentliche Gesundheit. Trotz der Spekulationen und vieler Berichte blieb die genaue Ursache der Krankheit lange Zeit unklar. Moderne medizinische Rekonstruktionen deuten stark auf eine durch verunreinigtes Abwasser ausgelöste gastrointestinale Infektion hin, die sich in den beengten Verhältnissen eines großen Hotels auswachsen konnte. Für Historiker und Mediziner ist die National Hotel Krankheit ein faszinierender Fall, der die Verbindung von Umweltbedingungen, städtischer Infrastruktur und menschlicher Gesundheit dokumentiert und dazu beiträgt, die Entwicklung moderner Hygienepraktiken besser zu verstehen. Bis heute bleibt das Ereignis ein mahnendes Beispiel dafür, wie wichtig saubere Umweltbedingungen, hygienische Einrichtungen und sorgfältige medizinische Überwachung sind, um Ausbrüche solcher Krankheiten zu vermeiden.
Die Erinnerung an die National Hotel Krankheit erweitert unser Verständnis für die medizinische Geschichte der USA und zeigt, wie eng Politik, Gesellschaft und Gesundheit miteinander verwoben sind.