Im Mai 2025 sorgte ein groß angelegter Streik bei Henkell Freixenet, einem der führenden Hersteller von Cava in Spanien, für erhebliches Aufsehen. Der Auslöser war eine Ankündigung des Unternehmens, etwa ein Viertel der Belegschaft zu entlassen, was rund 180 Mitarbeiter direkt betrifft. Diese drastische Maßnahme hat nicht nur die Belegschaft aufgebracht, sondern auch breite Diskussionen über die Zukunft der Cava-Industrie in der Region ausgelöst. Henkell Freixenet, der 2018 durch den Zusammenschluss von Henkell & Co. und dem spanischen Cava-Produzenten Freixenet entstand, ist in der Cava-Branche ein bedeutender Player.
Zu seinem Portfolio gehören bekannte Marken wie Freixenet selbst sowie Segura Viudas. Beide Standorte in Sant Sadurní d’Anoia und Torrelavit, in der Nähe von Barcelona gelegen, sind Produktionszentren, die von den jüngsten wirtschaftlichen Herausforderungen besonders betroffen sind. Die Ursachen für die angespannte Situation sind vielschichtig. Primär geben Unternehmensvertreter „existenzielle Herausforderungen“ an, die sich durch extreme klimatische Bedingungen in der Katalonien-Region ergeben haben. Besonders die langanhaltende Dürre hat erhebliche Auswirkungen auf die regionalen Weinberge und damit auf die Grundvoraussetzungen für die Cava-Produktion.
Seit 2022 sind die Traubernten im Penedès-Gebiet, wo der Großteil der Cava-Trauben angebaut wird, um 45 Prozent zurückgegangen. Gleichzeitig steigen die Rohstoffkosten, was eine gefährliche Schere zwischen Produktionsmöglichkeiten und Marktnachfrage schafft. Diese Entwicklungen haben bei Henkell Freixenet und in der gesamten Branche zu einer signifikanten Produktionseinbuße geführt. Die offizielle Begründung des Unternehmens verweist auf die tiefgreifende Krise im Cava-Sektor, die es in dieser Form zuvor nicht gegeben habe. Die Folge ist ein starkes Absinken der Verkaufszahlen: Der gesamte Sektor verzeichnete im letzten Jahr einen Rückgang der Verkaufsvolumina um 13,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Besonders die internationalen Verkäufe sind erheblich gesunken, was den ohnehin schwierigen Marktkontext zusätzlich verstärkt. Vor diesem Hintergrund kündigte Henkell Freixenet an, bis zu 180 Arbeitsplätze abzubauen – ein Schritt, der bei der Belegschaft auf heftigen Widerstand stieß. Die Gewerkschaft Comisiones Obreras (CCOO), die die Interessen der Arbeiter vertritt, reagierte mit der Ausrufung eines viertägigen Streiks, der am 27. Mai begann und bis zum 30. Mai andauerte.
Die gesamte Belegschaft wurde aufgerufen, sich an dem Arbeitskampf zu beteiligen, um gegen die Jobverluste zu protestieren und auf die Notwendigkeit von Verhandlungen mit dem Unternehmen zu drängen. Die Streiks sind ein deutliches Zeichen dafür, wie tief die Verunsicherung und die Besorgnis innerhalb der Belegschaft sitzen. Die CCOO machte klar, dass die Streiks auch über den ursprünglich geplanten Zeitraum hinaus fortgesetzt werden könnten, falls das Unternehmen keine konstruktiven Gespräche aufnehme. Dies stellt Henkell Freixenet vor eine schwierige Herausforderung, denn der Erhalt der Arbeitsplätze steht im Spannungsverhältnis zum wirtschaftlichen Druck durch die klimatischen und marktbedingten Schwierigkeiten. Das Unternehmen selber zeigt sich noch respektvoll gegenüber dem Streikrecht seiner Mitarbeiter, verweist jedoch gleichzeitig auf die unumgänglichen wirtschaftlichen Zwänge.
Henkell Freixenet betont, dass man sich in Gesprächen mit den gesetzlichen Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitnehmer befindet, um tragfähige Lösungen für die Zukunft zu finden. Dabei muss das Unternehmen Antworten auf die Frage geben, wie es unter den aktuell widrigen Umweltbedingungen wirtschaftlich überlebensfähig bleiben kann. Vor dem Hintergrund des Arbeitskampfes und der Herausforderungen, denen die Cava-Industrie ausgesetzt ist, zeigt sich, wie komplex die Situation in der Region geworden ist. Die Dürre im Penedès ist ein Symptom des globalen Klimawandels, der auch traditionelle Wirtschaftszweige wie den Weinbau massiv beeinträchtigt. Die wirtschaftliche Schieflage zwingt viele Unternehmen, ihre Strukturen und Arbeitsplätze zu überdenken – was allerdings soziale Spannungen provoziert und eine konstruktive, partnerschaftliche Lösung umso wichtiger macht.
Die rechtliche Grundlage für den Umgang mit der Krisensituation war für Henkell Freixenet ebenfalls eine Hürde. Im April 2024 hatte das Unternehmen versucht, rund 615 Mitarbeiter – etwa 80 Prozent der Belegschaft – vorübergehend in Kurzarbeit zu schicken. Die Begründung lag in der sogenannten Force-Majeure-Klausel, die bei außergewöhnlichen Umständen wie Naturkatastrophen greifen kann. Allerdings wurde dieser Antrag von der katalanischen Regionalregierung zurückgewiesen, was die ohnehin angespannte Situation weiter verschärfte. Die wirtschaftlichen Zahlen verdeutlichen den Druck auf die Branche.
Die zurückgehenden Verkaufszahlen in Spanien und international zeigen, dass die Krise tiefgreifend und umfassend ist. Für die in Katalonien ansässigen Unternehmen wie Henkell Freixenet bedeutet dies, neben dem klassischen Wettbewerb untereinander auch mit den Folgen des Klimawandels und veränderten Marktbedingungen umgehen zu müssen. Die Streikwelle bei Henkell Freixenet könnte ein Weckruf für die gesamte Branche sein, sich nachhaltiger aufzustellen und passende Strategien gegen die durch den Klimawandel ausgelösten Herausforderungen zu entwickeln. Dies umfasst unter anderem den Übergang zu widerstandsfähigeren Rebsorten, neue Produktionsweisen und eine stärkere Diversifikation der Absatzmärkte. Gleichzeitig zeigt die Lage um den Arbeitskampf, welche soziale Verantwortung Unternehmen tragen müssen.
Die Sicherung von Arbeitsplätzen und der faire Umgang mit den Arbeiterinnen und Arbeitern sind essenzielle Aspekte, die nicht vernachlässigt werden dürfen, wenn langfristige Lösungen angestrebt werden. Gewerkschaften und Mitarbeitervertretungen spielen dabei eine entscheidende Rolle, um auf Augenhöhe mit der Managementebene zu verhandeln und tragbare Kompromisse zu finden. Insgesamt steht Henkell Freixenet exemplarisch für die Herausforderungen, die viele traditionelle Produktionsbetriebe in der heutigen Zeit bewältigen müssen. Die Kombination aus Umweltproblemen, wirtschaftlichen Turbulenzen und sozialem Widerstand erzeugt eine komplexe Gemengelage, die innovative und kooperative Ansätze erfordert, um die Zukunft dieser bedeutenden Branche zu sichern. Für die Verbraucher bedeutet die Krise bei Henkell Freixenet auch ein Bewusstsein dafür, wie sehr Qualität und Verfügbarkeit von Produkten wie Cava von klimatischen und wirtschaftlichen Faktoren abhängen.
Die Entwicklung der nächsten Jahre wird zeigen, ob die Branche gestärkt aus dieser Phase hervorgeht oder ob tiefgreifende Veränderungen unabdingbar sind. Die Auseinandersetzungen zwischen Konzernleitung und Arbeitnehmern bei Henkell Freixenet markieren somit nicht nur einen lokalen Konflikt, sondern auch ein Beispiel für die vielschichtigen Herausforderungen, die die Wein- und Spirituosenindustrie im 21. Jahrhundert prägen. Dabei wird auch deutlich, wie wichtig ein ausgewogenes Zusammenspiel von wirtschaftlichem Erfolg, sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit für eine zukunftsfähige Industrie ist.