In der heutigen Automobilwelt sind Software und Elektronik zu zentralen Innovationstreibern geworden. Die Hard- und Softwarearchitektur eines Fahrzeugs bestimmt nicht nur seine Leistungsfähigkeit, sondern auch die Fähigkeit, über die gesamte Lebensdauer hinweg per Software-Updates verbessert zu werden. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen plante Ford ursprünglich, mit seiner nächsten Softwaregeneration, der sogenannten FNV4-Plattform, einen revolutionären Schritt in Richtung modularer, hochintegrierter Fahrzeugarchitekturen zu gehen. Doch vor einigen Monaten wurde dieses ambitionierte Projekt gestoppt und durch eine Verschmelzung mit der bereits vorhandenen FNV3-Plattform ersetzt. Dieses Umdenken spiegelt die aktuellen Herausforderungen der Branche ebenso wider wie Fords spezifische Situation und Strategie.
Ein Einblick in diese Entscheidung zeigt, warum und wie Ford die neueste Fahrzeugsoftwarearchitektur mit seiner bewährten Plattform vereint und welche Vorteile sich daraus ergeben. Die Führungskraft, die hinter diesem Wandel steht, ist Doug Field, Fords Softwarechef, der 2021 vom Tech-Giganten Apple zu Ford wechselte. Mit seiner Erfahrung bei Tesla und Apple hatte er die Aufgabe, die Blue Oval Intelligence, Fords zukunftsweisendes Softwaresystem, aufzubauen. Ziel war es, Fahrzeuge zu schaffen, die digital vernetzt sind, sich über kabellose Updates fortwährend verbessern und ein nahtloses Nutzererlebnis bieten – ähnlich dem Vorbild Tesla, das als Branchenprimus gilt. Doch die Realität war komplexer, als es zunächst schien.
Neben dem Softwareaufbau musste Ford auch die Marktsituation berücksichtigen: Trotz der großen Euphorie für Elektrofahrzeuge (EVs) verkaufen sich Fahrzeuge mit Verbrennermotoren (ICE) und Hybridantrieben weiterhin sehr gut. Zudem erschweren globale Handelskonflikte und politische Unsicherheiten die Beschaffung wichtiger Komponenten wie Batterien. Vor diesem Hintergrund wurde die FNV4-Plattform, die von vornherein auf eine moderne, zonale Architektur setzte, die weniger elektronische Steuergeräte (ECUs) benötigt und so Kosten und Gewicht reduziert, als zu teuer und wenig flexibel bewertet. Sie war besser für reine Elektroautos geeignet, machte aber die Integration in die breite Fahrzeugpalette mit Verbrennern schwieriger. Ford entschied sich daher für einen pragmatischeren Weg.
Anstatt ein neues, komplett eigenes Netzwerk für zukünftige Fahrzeuge zu bauen, wurde die FNV3-Plattform weiterentwickelt und als FNV3.X neu positioniert. Diese Plattform basiert auf einer domänenbasierten Architektur, bei der verschiedene Fahrzeugfunktionen in unterschiedlichen Softwarebereichen (Domains) verwaltet werden. Zwar ist sie technisch nicht so elegant und schlank wie die zonale Architektur, ermöglicht aber eine kosteneffiziente Nutzung über diverse Fahrzeugtypen hinweg – vom vollelektrischen Mustang Mach-E bis hin zum komplexen, mit zahlreichen Modulen ausgestatteten F-150 Super Duty mit speziellen Zusatzfunktionen. Für Ford bedeutet das mehr Fahrzeuge in der Flotte erhalten moderne Softwarefeatures und Fahrerassistenzsysteme wie BlueCruise.
Kunden profitieren so von besseren Infotainmentlösungen und kontinuierlichen Softwareverbesserungen, unabhängig vom Antrieb. Besonders herausfordernd ist die Softwareentwicklung für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, da deren Elektronik traditionell weniger zentralisiert und auf eine 12-Volt-Batterie angewiesen ist. Große Softwareupdates können hier den Energiespeicher stärker belasten als bei EVs mit Hochvoltbatterien, was intelligente Energie- und Update-Managementsysteme erfordert. Ford hat Lösungen entwickelt, um große Datenmengen teilweise während der Fahrt herunterzuladen und den Ladezeitpunkt anhand des Batteriestatus zu steuern. Ein weiterer entscheidender Aspekt ist die Einbindung der Vielzahl von Zulieferern.
Während neue All-EV-Hersteller oft komplette Fahrzeug-Softwaresysteme selbst entwickeln, arbeitet Ford traditionell eng mit unterschiedlichsten Partnern zusammen, die eigene Steuergeräte und Softwarelösungen liefern. Diese Firmen möchten ihre Systeme verkaufen, nicht einfach nur als Zulieferer für elektronischen Baugruppen fungieren. Daher musste Ford durch die neue Architektur eine bessere zentrale Kontrolle über die Software erlangen, ohne die bestehende Zuliefererlandschaft vollständig umzukrempeln. Die Vision von Doug Field gleicht einem Organisationsprinzip im Fahrzeug: statt einer Vielzahl kleiner, unabhängiger Steuergeräte mit separater Software sollen einige zentrale Recheneinheiten die Hauptarbeitslast übernehmen. Die übrigen Module arbeiten als Serviceteile und werden von den primären Steuergeräten koordiniert – ähnlich dem Gehirn und Körper, die zusammen eine Bewegung steuern, oder einem Reflex, der direkt im Rückenmark ausgelöst wird, ohne Umweg über das Gehirn.
So können zeitkritische Funktionen wie Notbremsautomatik und Airbag-Auslösung schnell und zuverlässig ausgeführt werden, während weniger dringende Aufgaben wie Fenstersteuerung zentralisiert und effizient verwaltet werden. Die Flexibilität dieser domänenbasierten Plattform erlaubt es Ford, auch komplexe und unterschiedlich ausgestattete Fahrzeuge der gesamten Modellpalette mit einer gemeinsamen Softwarebasis zu versorgen und Updates zu liefern. Für den Endkunden zählt laut Field weniger, welche technische Architektur eingebaut ist, sondern vor allem die Nutzererfahrung, Bedienfreundlichkeit und ständige Verbesserung des Fahrzeugsoftwareangebots. Mit der Entscheidung, FNV4 zu stoppen und stattdessen die bewährte Plattform anzupassen, stellt Ford seine Ressourcen auf eine nachhaltige und breite Anwendung ein. Das bringt nicht nur Kostenvorteile, sondern reduziert technische Risiken in einer Zeit, die von Handelskonflikten, technologischem Wettbewerb und veränderten Kundenpräferenzen geprägt ist.
Für die Zukunft plant Ford, parallel an einer neuen Generation von Fahrzeugen zu arbeiten, die weiterhin modernste Architektur und Software nutzen wird. Doch bis dahin schafft die Verschmelzung von alt und neu die notwendige Basis, um sowohl bestehende als auch künftige Kunden mit moderner Fahrzeugsoftware zu versorgen. Insgesamt zeigt Fords Strategie, wie traditionelle Automobilhersteller auf den rasanten Wandel reagieren, indem sie Innovationen pragmatisch in bestehende Strukturen integrieren, statt radikale Brüche zu riskieren. Dieses Vorgehen sorgt für eine bessere Balance aus Kostenkontrolle, Marktfähigkeit und technologischem Fortschritt. Die Fahrzeugarchitektur wird so zum flexiblen Werkzeug für eine vielfältige Produktpalette, die sowohl Verbrenner als auch Elektroautos umfasst.
Letztlich aber zählt für den Nutzer nur die Erfahrung und Zuverlässigkeit, die gut entwickelte Software in seinem Fahrzeug bieten kann, unabhängig davon, welcher technische Weg dorthin gewählt wird. Die Verschmelzung von next-gen und bewährten Plattformen markiert für Ford einen wichtigen Schritt in der digitalen Transformation und zeigt den schmalen Grat zwischen technologischem Fortschritt und wirtschaftlicher Realität. Ford beweist damit, dass moderne Fahrzeugarchitektur nicht nur von bahnbrechenden Konzepten lebt, sondern vor allem von intelligenter Integration und Anpassung an sich ständig ändernde Marktbedingungen.