Künstliche Intelligenz (KI) revolutioniert zunehmend alle Bereiche unseres Lebens, doch ihr Einfluss verläuft keineswegs homogen. Jack Clark, Mitbegründer des KI-Unternehmens Anthropic und früherer Politikdirektor bei OpenAI, bietet eine differenzierte, sachbasierte Analyse der aktuellen und zukünftigen Auswirkungen von künstlicher allgemeiner Intelligenz (AGI) auf Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Seine Perspektive zeichnet sich durch eine Mischung aus Optimismus und Skepsis aus, basierend auf praktischer Erfahrung und einem umfangreichen Verständnis der technologischen, rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen. Jack Clark beginnt seine Betrachtung mit der Einschätzung, dass AGI in verschiedenen Wirtschaftssektoren unterschiedlich schnell Fuß fassen wird. Während bestimmte digitale Branchen schnell von KI-Systemen profitieren und sich radikal verändern, werden handwerkliche und besonders kunsthandwerkliche Bereiche wie Elektriker, Klempner oder auch die Gartenpflege erst spät oder nur begrenzt durch KI beeinflusst.
Er betont, dass der menschliche Faktor in solchen Bereichen über die reine Fähigkeit hinausgeht: Die Auswahl von Handwerkern sei oft eine Frage von Reputation, handwerklicher Expertise und ästhetischem Geschmack, welcher sich nur schwer durch KI imitieren lässt. Das bedeutet, dass gerade in diesen hochgradig persönlichen oder künstlerischen Berufen der menschliche „Vordergrund“ weiterhin relevant bleibt. Im Bereich des Dienstleistungssektors, insbesondere bei Schreibtischarbeit, bleibt die Vermittlung zwischen Personen ein Knotenpunkt, der laut Clark nur schwer durch Maschinen ersetzt wird. Obwohl KI bereits therapeutische Gespräche oder Verkaufsunterstützung leisten kann, bevorzugen Menschen oft den unmittelbaren Austausch mit echten Menschen, gerade wenn es um komplexe Entscheidungsprozesse oder den Umgang mit großen Kapitalmengen geht. Diese Nuancierung zeigt, dass trotz technischer Möglichkeiten die sozialen und emotionalen Dimensionen im Geschäftsleben weiterhin bestehen bleiben.
Ein wesentlicher Hemmschuh für die Verbreitung von KI, insbesondere in regulierten Bereichen wie dem Gesundheitswesen, sind rechtliche und ethische Hürden. Jack Clark beschreibt die bestehenden Standards zum Schutz persönlicher Gesundheitsdaten als eine große Herausforderung. Die strengen Datenschutzvorschriften müssten aktualisiert werden, um den sicheren und verantwortungsvollen Einsatz von KI zu ermöglichen. Zwar werden KI-Systeme zunehmend im privaten Umfeld zur Erstberatung genutzt – so berichtet Clark von der persönlichen Erfahrung, Claude, einen KI-Assistenten, zur Überprüfung der Gesundheit seines Kindes zu konsultieren –, doch eine direkte offizielle Integration und Anerkennung von KI-Diagnosen sind noch nicht ausgereift. Hier zeigt sich eine Diskrepanz zwischen der Praxis und der regulatorischen Realität.
Der Einfluss von KI auf Regierungsbehörden ist ein weiteres Feld, auf dem Clark optimistisch, aber vorsichtig blickt. Obwohl manche Regierungsstellen technisch veraltet wirken, könnten sicherheitsrelevante Abteilungen schnell KI-Technologien adaptieren. Schwieriger wird die Transformation der weniger „dringlichen“ Regierungssektionen sein, wo politische Willensbildung und institutionelle Trägheit signifikante Hürden darstellen. Die Geschwindigkeit der Integration wird von Faktoren wie dem politischen Druck und der öffentlichen Erwartungshaltung beeinflusst. Clark warnt außerdem vor einem möglichen politischen Reflex, bestimmte Arbeitsplätze bewusst zu schützen, insbesondere in Bereichen mit hohem bürokratischem Anteil, um soziale Unruhen abzuwenden.
Dieses Vorgehen könnte zwar kurzfristig Stabilität bewirken, langfristig aber den produktiven Wandel hemmen. Ein besonders futuristisches Beispiel, das Clark anspricht, ist die Vorstellung von „AI-Teddybären“ für Kinder – KI-gesteuerte Begleiter, die spielerisch unterhalten und zum Lernen anregen. Als frischgebackener Vater sieht Clark hier einen großen Bedarf unter Eltern, die sich eine vertrauenswürdige, lernfähige Begleitung für ihre Kinder wünschen, besonders in Momenten, in denen die elterliche Aufmerksamkeit phasenweise gebunden ist. Er gibt jedoch zu bedenken, dass der Einsatz solch KI-gesteuerter Spielgefährten mit Passagen um Beschränkungen und Überwachung verbunden sein müsste, um eine gesunde Balance zwischen sozialer Interaktion mit anderen Kindern und der Zeit mit dem KI-Begleiter zu finden. Gleichzeitig thematisiert Clark mögliche Problematiken durch Überwachung und wie ein Zuviel an Kontrolle oder fortwährender Beobachtung das natürliche, kreative Verhalten von Kindern beeinträchtigen könnte.
Im Journalismus und den Medien sieht Jack Clark eine der komplexesten Herausforderungen. Die Ökonomie dieses Sektors steht vor einer tiefgreifenden Veränderung. Traditionelle Geschäftsmodelle, die auf Abonnements und Anzeigen basieren, geraten durch die Möglichkeit, mit KI-gestützten Systemen schnell und breit Inhalte zu generieren, unter Druck. Clark argumentiert, dass ein Teil der Medieninhalte aus Gründen menschlicher Authentizität weiterhin von echten Personen bestritten wird – schließlich wünschen sich Nutzer eine gewisse menschliche Note und Verlässlichkeit. Andererseits könnten Medienunternehmen versuchen, sich als größere „Universen“ zu etablieren, die verschiedene Inhalte kreieren und dabei KI nutzen, um diese Welten stetig zu erweitern, etwa im Bereich der Fiktion oder Games.
Die Debatte um Cross-Subsidisierung und Finanzierung von Qualitätsjournalismus bleibt also spannend und ungelöst. Die Zukunft der Hersteller von großen Sprachmodellen (LLMs) zeichnet Clark als mehrdimensional. Er erwartet, dass es für lange Zeit mehrere große Unternehmen geben wird, die sich spezialisieren und verschiedenartige Kunden bedienen. Diese Spezialisierung könnte auf den Randbereichen von KI-Anwendungen liegen, in denen Kosten, Sicherheit und Anwenderspezifika eine Rolle spielen. Interessanterweise sieht er eine Möglichkeit, dass Wettbewerbsdruck zu stärkeren Sicherheitsstandards und Transparenzpflichten führt – etwa über obligatorische Labeling- und Offenlegungsvorschriften, sodass Nutzer und Unternehmen die Risiken besser einschätzen können.
In diesem Kontext spielt auch die Frage der Haftung eine zentrale Rolle, auch wenn Clark sich weniger auf juristische Details konzentriert, sondern mehr auf die Informationspolitik zwischen Akteuren. Politisch geht Clark davon aus, dass internationale Einigungen über hochkomplexe KI-Fragen schwer umsetzbar sind. Ein gewisser Grad an Zusammenarbeit, der an Non-Proliferationsabkommen erinnert, wäre möglich – vor allem zur Eindämmung der Verbreitung besonders gefährlicher Technologien. Doch globale Kontroll- und Überwachungsmechanismen, die gegenseitige Inspektionen verlangen, erscheinen ihm heute unrealistisch, gerade vor dem Hintergrund geopolitischer Rivalitäten. Stattdessen dürften Handelsbeschränkungen, Sanktionen und bilaterale Abkommen die zentralen Steuerungsinstrumente bleiben.
Ein entscheidendes Thema in Clarks Analyse sind die Wachstumsaussichten der Wirtschaft durch KI. Er bleibt im Vergleich zu vielen Tech-Optimisten eher vorsichtig und prognostiziert ein moderates Wirtschaftswachstum von drei bis fünf Prozent durch KI-bedingte Produktivitätssteigerungen, gegenüber teils hedonistischeren Prognosen von zwanzig oder dreißig Prozent. Dabei stellt er heraus, dass das Wachstum vor allem aus zwar schnellen, aber zunächst kleinen digitalen Segmenten kommen wird, während der Großteil der stabilen Wirtschaftszweige nur langsam KI integriert. Er beschreibt den komplexen Übergang von rein digitalen zu physisch-technischen KI-Anwendungen als extrem problematisch, wie man etwa bei selbstfahrenden Autos oder der Roboterhand sieht, die in der Praxis deutlich hinter den Erwartungen zurückbleiben. Überhaupt sieht Clark eine starke räumliche Komponente in der KI-Entwicklung.
Städte und Ballungsräume, in denen sich intensive menschliche Interaktionen und Netzwerke ergeben, werden auch weiterhin hohe Bedeutung haben und profitieren. Zugleich könnten sich Arbeitsorte und Lebensstile verändern: Einige Menschen bevorzugen tiefere Spezialisierungen vor Ort, andere wiederum Homeoffice oder eine hybride Nutzung von KI am Arbeitsplatz. Die Ökonomie von Land, Energie, insbesondere Elektrizität, wird dadurch zunehmend wichtiger. Ein zukunftsweisendes Thema sind autonome KI-Agenten, die selbstständig agieren können. Clark sieht in ihnen enormes Potenzial, verweist aber gleichzeitig auf enorme ethische, rechtliche und technische Herausforderungen.
Es stellt sich die Frage nach Verantwortlichkeit, Haftung und moralischem Status einer solchen Form der Künstlichen Intelligenz. Die Gesellschaft muss neue Rechtsmodelle, Kontrollinstanzen und ethische Leitplanken entwickeln, um mit autonomen KI-Systemen umzugehen, bevor sie breit eingesetzt werden. Was viele überrascht, ist Clarks Einschätzung zur Bewusstseinsfrage von KI. Er steht defensiv-kritisch gegenüber der Vorstellung, dass heutige KI-Systeme bereits Bewusstsein besitzen. Vielmehr sieht er sie gegenwärtig auf einer Stufe, die sich eher analog zu „bewussten Zungen ohne Gehirn“ verhält: KI reagiert auf komplexe Reize, verfügt aber nicht über ein festes Selbstbewusstsein oder Erinnerung über die Zeit.
Dennoch hält er es für möglich, dass KI in Zukunft eine eigentlich fremdartige Form des Bewusstseins entwickelt, die unsere bisherigen Vorstellungen sprengt. Innerhalb dieses spannenden Feldes sieht er Risiken und Chancen, insbesondere für die Moral und den Umgang mit solchen Systemen. Einen überraschenden und zugleich menschlichen Ausblick gibt Clark mit der Prognose, dass wir spätestens bis 2030 in der Lage sein werden, mit Delfinen dank KI-Übersetzungen zu kommunizieren. Dabei interessiert ihn besonders, wie Delfine Spaß und Emotionen erleben, ob sie träumen oder Trauer kennen. Diese Perspektive verschiebt den Blick von rein technischer Leistung hin auf die Schnittstellen zwischen KI, Tierwelt und menschlicher Kultur.
Bezüglich der geopolitischen Bedeutung von KI weist Clark auf das Phänomen der kulturellen Prägung durch die dominierenden Systeme hin. Die Werte und Narrative großer US-amerikanischer KI-Modelle exportieren Soft Power und könnten global eine Art gemeinsame kulturelle Vorlage schaffen. Gleichzeitig wird erwartet, dass autoritäre Regime, etwa die chinesische Führung, eigene KI-Modelle mit abweichenden Ideologien entwerfen und einsetzen werden. Länder, die sich gegen KI sträuben, werden eine kleine Minderheit bleiben, da der wirtschaftliche Druck und globale Vernetzung den Zugang zu KI-Systemen zunehmend zum Standard macht. Jack Clark stellt auch die Rolle von Regierung und öffentlich-rechtlichen Einrichtungen in den Mittelpunkt.
Er plädiert dafür, KI-Anwendungen im staatlichen Bereich möglichst früh zu erproben, Hemmnisse zu identifizieren und durch klare Vorgaben sowie Marktmechanismen zu steuern. Digitale Infrastruktur wie in Großbritannien oder Singapur könnte zum Innovationstreiber werden, wenn Regierungen bereit sind, Konzepte aktiv umzusetzen und Ressourcen bereitstellen. Besonders spannend ist seine Aussicht, dass kleinere Staaten spezialisierte KI-Dienste nutzen oder anpassen werden, statt eigene umfassende Grundmodelle zu entwickeln. Abschließend zeigt Clark einen bemerkenswerten Kontrast zwischen technologischem Ehrgeiz und menschlichem Bedürfnis auf. Er vergleicht den Wandel mit früheren disruptiven Phasen und weist darauf hin, dass trotz aller Innovation Menschen weiterhin Sinn und Erfüllung in ihrer Arbeit finden möchten.
Ihm liegt daran, dass KI den Menschen nicht nur mechanisch ersetzt, sondern neue Chancen für kreative und sinnstiftende Tätigkeiten eröffnet. Dabei sieht er den Aufstieg sogenannter „Manager-Nerds“, die KI-Agenten orchestrieren und strategisch einsetzen, als prägende Berufskategorie der nahen Zukunft. Jack Clarks Vorstellungen und Prognosen zeichnen ein vielschichtiges Bild von der KI-Revolution: Sie bringt wirtschaftliche Chancen, gesellschaftliche Verschiebungen und ethische Herausforderungen mit sich, die nur durch interdisziplinäres Denken und politische Klugheit bewältigt werden können. Seine Erfahrungen als Journalist, Politiker und Gründer eines KI-Unternehmens erlauben ihm eine fundierte Bewertung, die jenseits von Hypes und düsteren Dystopien eine differenzierte Orientierung für eine zunehmend KI-getriebene Welt bietet.