Die Finanzwelt befindet sich mitten in einem einschneidenden Wandel. Große globale Unternehmen wie Amazon und Walmart entwickeln zunehmend eigene Finanzdienstleistungen und umgehen dabei traditionelle Banken. Mit Hilfe von moderner Technologie und eingebetteten Finanzlösungen – dem sogenannten Embedded Finance – schaffen sie es, Kunden nahtlos Finanzprodukte wie Kredite, Versicherungen oder Zahlungsoptionen direkt am Point of Sale anzubieten. Diese Revolution im Finanzsektor hat weitreichende Auswirkungen für Konsumenten, Unternehmer und Banken gleichermaßen. Embedded Finance bezieht sich auf die Einbettung von Finanzdienstleistungen in Nicht-Bank-Anwendungen und -Plattformen.
Damit müssen Kunden nicht mehr für jede Transaktion eine separate Bank aufsuchen; stattdessen werden Finanzprodukte unmittelbar in den Kaufprozess oder täglichen Geschäftsablauf integriert. Für Unternehmen bedeutet dies eine engere und datengestützte Bindung zu ihren Kunden, während Nutzer von vereinfachten, schnellen und oft kostengünstigeren Finanzangeboten profitieren. Amazon ermöglicht beispielsweise seinen Kunden „Buy Now, Pay Later“-Optionen, sodass Einkäufe direkt mit flexiblen Zahlungsmöglichkeiten kombiniert werden können. Diese innovativen Kreditlösungen sind tief in die Plattform integriert und machen es überflüssig, vor Ort klassische Bankkredite einzuholen. Walmart hat ähnliche Wege eingeschlagen und mit Partnern wie Ribbit Capital eine eigene Fintech-Startup-Plattform geschaffen, die sowohl für Mitarbeiter als auch für Endkunden diverse Finanzprodukte entwickelt.
Auch Automobilhersteller wie Mercedes und Volkswagen experimentieren mit eingebetteter Zahlungstechnologie, die es zum Beispiel ermöglicht, dass Fahrzeuge selbst Tankrechnungen begleichen können. Diese Entwicklungen erschüttern das bisherige Gefüge im Finanzsektor. Traditionelle Banken, die einst die Schnittstelle zwischen Finanzprodukten und Kunden bildeten, verlieren zunehmend an Einfluss und direkten Kundenzugang. Dabei geht es nicht nur um die Einnahmen aus Zinsen oder Gebühren, sondern vor allem um den Besitz wertvoller Kundendaten. Embedded-Finance-Unternehmen sammeln kontinuierlich Informationen über Einkaufsmuster, Vorlieben und finanzielle Verhaltensweisen ihrer Nutzer.
Diese Daten sind entscheidend, um maßgeschneiderte Finanzprodukte zu entwickeln und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Das Konzept bietet Unternehmen nicht nur Möglichkeiten zur Umsatzsteigerung, sondern definiert auch das Verhältnis zwischen Kunden und Finanzdienstleistern neu. Endkunden erleben Finanzdienstleistungen als Teil eines nahtlosen Nutzererlebnisses und müssen sich nicht mehr mit komplexen, herkömmlichen Abläufen auseinandersetzen. Zugleich profitieren Unternehmen von einer höheren Kundenbindung und zusätzlichen Erlösquellen. Während Embedded Finance für viele Konsumenten und Unternehmen Vorteile bietet, stellen sich auch regulatorische Fragen.
Banken unterliegen strengen Auflagen und Kontrollen, wohingegen neuartige Finanzanbieter häufig mit der Entwicklung von Regeln und Standards ringen. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hat beispielsweise gewarnt, dass Regulatoren den zunehmenden Einfluss von Technologieunternehmen im Finanzsektor genau beobachten und entsprechende Maßnahmen ergreifen müssen, um Stabilität und Verbraucherschutz sicherzustellen. Fintech-Unternehmen wie Klarna, Affirm oder Solarisbank stehen an der Spitze dieses Wandels. Klarna, ein schwedischer Anbieter von Buy-Now-Pay-Later-Lösungen, hat allein im Jahr 2021 rund 1,9 Milliarden US-Dollar an Investitionen erhalten. Amazon kooperiert mit Affirm, um seinen Kunden kreditbasierte Zahlungsoptionen anzubieten, während Walmart mit Investitionen und eigenen Fintech-Projekten einem ähnlichen Weg folgt.
Auch Shopify, die Plattform für E-Commerce-Händler, nutzt eingebettete Finanzprodukte, um Geschäftsinhabern unkomplizierte Finanzierungsmöglichkeiten zu bieten. Anders als klassische Banken verlässt sich Shopify weniger auf traditionelle Bonitätsprüfungen, sondern analysiert umfangreiche interne Daten, um Unternehmer meist ohne langwierige Antragsformalitäten mit Kapital auszustatten. Dies fördert insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, die bislang Schwierigkeiten hatten, Bankkredite zu erhalten. Die Marktdynamik verschiebt sich: Während Banken noch immer das Gros des Kreditvolumens halten, wachsen die Embedded Finance Lösungen mit beeindruckender Geschwindigkeit. Experten erwarten, dass Unternehmen aus nicht-finanziellen Branchen in Zukunft eine noch wichtigere Rolle im Finanzwesen spielen werden.
Banken müssen sich entscheiden, ob sie um den direkten Kundenzugang kämpfen oder lieber als Infrastrukturgeber im Hintergrund agieren möchten und darauf setzen, dass andere die Kundenbeziehung übernehmen. Bestimmte Banken haben bereits reagiert und eigene Kooperationen mit Technologieunternehmen eingegangen. Citigroup arbeitet beispielsweise mit Google an bankbasierten Konten zusammen, Goldman Sachs stellt Apple Kreditkarten zur Verfügung, und JPMorgan investiert in Bezahlsysteme bei Volkswagen. Solche Strategien sollen verhindern, dass traditionelle Finanzhäuser vollständig von der Digitalisierung abgehängt werden. Aus Sicht der Verbraucher bietet der Trend zu Embedded Finance viele Vorteile.
Finanzdienstleistungen werden benutzerfreundlicher, Prozesse schneller und oft preiswerter. Verbraucher können nahtlos während eines Online-Einkaufs Kredite beantragen oder Versicherungen abschließen, ohne die Plattform verlassen zu müssen. Diese Integration erhöht den Komfort und schafft personalisierte Angebote, die auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten sind. Dennoch bringt die zunehmende Vernetzung auch Herausforderungen mit sich. Datenschutz und Datensicherheit werden kritischer denn je, denn Unternehmen sammeln große Mengen an sensiblen Informationen.
Es stellt sich die Frage, wie diese Daten geschützt und verantwortungsvoll verwendet werden können, ohne den Wettbewerb zu behindern. Zudem müssen Regulierungsbehörden einen Rahmen schaffen, der Innovation zulässt, aber zugleich Risiken minimiert. Insgesamt zeigt der Einzug von Embedded Finance bei Amazon, Walmart und Co. einen zukunftsweisenden Trend. Finanzdienstleistungen werden immer stärker in Alltagsprodukte und Dienstleistungen integriert und von traditionellen Bankstrukturen entkoppelt.
Diese Entwicklung kann den Zugang zu Finanzprodukten demokratisieren, neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen und den Kundenservice verbessern. Für traditionelle Banken stellt der Wandel eine erhebliche Bedrohung dar. Um relevant zu bleiben, müssen sie ihre Geschäftsmodelle überdenken, stärker auf Digitalisierung setzen und strategische Partnerschaften mit Technologieunternehmen eingehen. Nur so können sie im Wettbewerb mit eingebetteten Finanzdienstleistungen bestehen und ihre Rolle als Finanzdienstleister der Zukunft sichern. Die Finanzwelt durchläuft eine Phase beispielloser Veränderung.
Mit Amazon und Walmart an der Spitze des Embedded Finance-Booms wird deutlich, dass die Trennung zwischen Technologie, Handel und Finanzprodukten zunehmend verschwimmt. Die nächsten Jahre werden entscheidend sein, um die Weichen für nachhaltige und innovative Finanzlösungen zu stellen, die sowohl den Bedürfnissen der Verbraucher als auch den Anforderungen der Wirtschaft gerecht werden.