Historische Bücher sind wertvolle Zeitzeugen vergangener Epochen und stellen für Bibliotheken und Museen wichtige Kulturgüter dar. Doch hinter ihrem oft prachtvollen Erscheinen verbirgt sich manchmal eine gefährliche Seite: Farben, insbesondere leuchtend grüne Pigmente, können giftige Substanzen enthalten, die für Menschen schädlich sein können. Die Universität St Andrews hat hier einen bedeutenden Durchbruch erzielt: Ein tragbares Gerät, das es ermöglicht, diese toxischen Pigmente schnell, sicher und kostengünstig zu erkennen und somit das Risiko für Personen zu minimieren, die mit alten Büchern arbeiten oder diese ausstellen. Diese Innovation eröffnet völlig neue Perspektiven in der Konservierung und im Umgang mit gefährdeten Kulturschätzen.Das Problem der giftigen grünen Pigmente, auch bekannt als Smaragdgrün, ist seit Langem bekannt.
Dieses besonders leuchtende Grün wurde im 19. und frühen 20. Jahrhundert häufig verwendet und enthält Arsen, eine hochgiftige Substanz. Während Arsen in Wandtapeten und Textilien schon seit Jahrzehnten als gesundheitsschädlich erkannt wird, hat sich die Aufmerksamkeit erst in jüngster Zeit verstärkt auf grüne Bucheinbände gerichtet. Diese sind häufig mit Smaragdgrün gefärbt, welches für die Hersteller eine brillante Farbwirkung bot, jedoch zahlreiche Risiken barg.
Die Folgen sind vor allem bei wiederholtem und intensivem Kontakt mit den Büchern zu spüren: Reizungen der Augen, der Atemwege und der Haut können auftreten, ferner gibt es Hinweise auf schwerwiegendere gesundheitliche Auswirkungen bei langjähriger Exposition.Die Gefahr für die breite Öffentlichkeit mag gering sein, doch für Mitarbeiter in Bibliotheken, Archiven und Museen, die täglich mit den Büchern umgehen, stellt sie eine reale Herausforderung dar. Viele Institutionen weltweit mussten deshalb große Teile ihrer Sammlungen mit grünen Buchbindungen einsperren oder den Zugang stark einschränken, um die Sicherheit von Personal und Besuchern zu gewährleisten. Diese Vorsicht hat jedoch auch zur Folge, dass wichtige historische Informationen nur schwer zugänglich sind und das kulturelle Erbe beeinträchtigt wird. Denn bis dato waren Testverfahren, um das giftige Smaragdgrün zweifelsfrei zu identifizieren, teuer und aufwendig – Speziallabore sowie langwierige Analysen waren erforderlich.
Die Universität St Andrews hat zusammen mit der Abteilung für Physik und Astronomie eine innovative Lösung geschaffen, die diese Herausforderungen adressiert. Das entwickelte, handliche Gerät basiert auf einer Methode, bei der verschiedene Lichtfarben auf die Buchoberfläche gestrahlt werden und die reflektierte Lichtmenge gemessen wird. Diese reflektierte Lichtmenge erzeugt eine einzigartige „Fingerabdruck“-Signatur des Pigments, wodurch die Anwesenheit von Smaragdgrün innerhalb von Sekundenbruchteilen erkannt werden kann. Die zugrundeliegende Technik wurde ursprünglich in der Geowissenschaft zur Mineralerkennung genutzt, konnte jedoch erfolgreich auf die Pigmentanalyse bei Buchbindungen übertragen werden.Der große Vorteil des Geräts besteht nicht nur in seiner Schnelligkeit, sondern auch in seiner Einfachheit und Zugänglichkeit.
Die Handlichkeit erlaubt es, das Instrument direkt vor Ort in Bibliotheken und Museen einzusetzen, ohne dass schwere Laborausrüstung nötig ist. Zudem sind die Kosten im Vergleich zu herkömmlichen Tests minimal, was insbesondere kleineren Einrichtungen ohne großes Budget zugutekommt. Die Problematik großer, unübersichtlicher Untersuchungen wird dadurch deutlich entschärft, sodass nur tatsächlich riskante Bücher herausgefiltert und mit entsprechendem Schutz behandelt oder eingelagert werden müssen.Die internationale Resonanz auf diese Entwicklung ist bemerkenswert. Institutionen wie die französische Nationalbibliothek haben bereits Schritte unternommen, problematische Buchbestände abzuriegeln, und auch mehrere deutsche Universitäten haben zehntausende Bücher aus Sicherheitsgründen isoliert.
Die Verfügbarkeit eines praktikablen Skalierungsmodells durch das neue Gerät könnte zukünftig viele dieser Sammelbestände, ohne zeitliche Verzögerung, durchforsten und so gezieltere Maßnahmen erlauben. Das bedeutet für die Nutzer einen erleichterten Zugang zu Literatur und Dokumenten, gleichzeitig sinkt das gesundheitliche Risiko für das Personal erheblich.Die Projektleitung unter Heritage Scientist Dr. Pilar Gil betont, dass das Projekt aus dem Bedarf entstand, innerhalb der eigenen Sammlungen der Universität St Andrews exakt zu unterscheiden, welche Bücher smaragdgrüne Bindungen enthalten. Das Team baute auf vorhandene Technologien innerhalb der Universität auf und erkannte den spezifischen Reflexionsmuster von Smaragdgrün im sichtbaren Lichtspektrum als Schlüssel zur Identifizierung.
Diese Erkenntnisse konnten dann auf ein portables Gerät übertragen werden, das nun auf breiter Ebene genutzt werden kann. Die beteiligten Forscher Dr. Graham Bruce und Dr. Morgan Facchin unterstreichen den Durchbruch solcher multispektralen Analysemethoden und freuen sich über das große Interesse seitens Bibliotheken und Museen in ganz Schottland.Eine weitere wichtige Stimme kommt von der konservatorischen Expertin Erica Kotze, die auf die doppelte Bedeutung des Projekts hinweist.
Die Sicherung von Gesundheitsstandards wird durch die gezielte Prüfung erreicht, und gleichzeitig wird vermieden, dass Bücher ohne Risiko unnötig für die Öffentlichkeit gesperrt werden. Gerade für Forschungszwecke und die allgemeine Informationszugänglichkeit ist dies ein bedeutender Schritt. Das Projekt demonstriert eine effektive Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachbereichen der Universität, die vom Zugang zu teuren Analysetools profitiert und zugleich eine praktikable, einfach anwendbare Lösung für einen weit verbreiteten und komplexen kulturellen Konflikt anbietet.Das Engagement der Universität St Andrews geht über die Entwicklung des Geräts hinaus. Die Arbeit wird vom Photonics and Quantum Accelerator finanziell unterstützt, einem Förderprogramm, das die Anwendung lichtbasierter Technologien für die Region Zentral-Schottland vorantreibt.
Damit zeigt das Projekt, wie akademische Forschung direkt praktische Probleme lösen kann und das Kulturerbe für künftige Generationen bewahrt. Eine begleitende Ausstellung namens „Poisonous Books, Dangers from the Past“ wird der Öffentlichkeit im Wardlaw Museum in St Andrews präsentiert und bietet interessierten Besuchern die Möglichkeit, sich umfassend über die Problematik und die innovative Lösung zu informieren. Die Ausstellung ist bis Ende Juli 2025 kostenfrei zugänglich.In einer Zeit, in der digitale Medien zunehmend den Zugang zu Wissen verändern, darf das physische Kulturgut nicht vernachlässigt werden. Die Entdeckung und sichere Handhabung toxischer Pigmente in alten Büchern trägt dazu bei, dass historische Werke erhalten bleiben und dennoch sicher genutzt werden können.
Die Entwicklung des tragbaren Erkennungsgeräts ist ein Meilenstein für die Archive, Bibliotheken und Museen weltweit. Sie verbindet wissenschaftliche Forschung mit kultureller Verantwortung und gesellschaftlicher Sicherheit. Für viele Institutionen bedeutet dies eine effektive und praktikable Lösung, um ihre Sammlungen zugänglich zu halten und gleichzeitig Gesundheitsrisiken zu minimieren.Das portable Gerät ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie interdisziplinäre Forschung zwischen Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften innovative Werkzeuge hervorbringen kann. Es ermöglicht eine einfache, schnelle und präzise Risikoanalyse von Buchbeständen und trägt somit zur nachhaltigen Bewahrung von Wissen und Geschichte bei.
Mit der weiteren Verbreitung dieser Technologie wird der Umgang mit potentiell giftigen Büchern sicherer, effizienter und nutzerfreundlicher – ein Gewinn für die gesamte Kulturerbe-Community und alle, die den Wert historischer Bücher schätzen und schützen möchten.