Die Region Cognac in Frankreich, bekannt für ihre idyllischen Weinberge und erstklassigen Destillate, wirkt auf den ersten Blick unberührt von den wirtschaftlichen Turbulenzen, die die Branche derzeit erschüttern. Doch hinter der malerischen Fassade verbergen sich akute Probleme, die die Zukunft eines der prestigeträchtigsten Produkte der Spirituosenwelt ernsthaft in Frage stellen. Während die Ernteerfolge und die natürliche Schönheit der Region Optimismus verbreiten, zeichnet sich eine tiefgreifende Krisensituation ab, die dringende Aufmerksamkeit erfordert. Die globale Cognac-Industrie befindet sich seit einigen Jahren in einem deutlichen Abschwung, der sich besonders seit 2023 zuspitzt und bereits mehrere Jahre anhaltender Wachstumserfolge zunichtezumachen droht. Im Jahr 2021 erreichten die weltweiten Auslieferungen von Cognac mit 223,2 Millionen Flaschen einen Höhepunkt, der als Post-Pandemie-Boom gewertet wurde.
Doch bereits 2022 folgte ein leichter Rückgang auf 212,5 Millionen Flaschen, eine Anzahl, die immerhin noch nahe am Niveau von vor der Pandemie lag. Doch 2023 schlug die Krise voll durch: die Auslieferungen fielen dramatisch um 26 Prozent im Vergleich zu 2021 und um 24 Prozent gegenüber 2019 auf nur noch 165,3 Millionen Flaschen. Dieser Einbruch ist in mehrfacher Hinsicht alarmierend, denn es trifft eine Branche, die jahrzehntelang kontinuierlich wuchs und sich weltweit fest etablieren konnte. Noch erschreckender ist, dass sich dieser Trend bislang nicht umkehren lässt. Trotz Hoffnungen auf eine Erholung auf dem Niveau von vor der Pandemie stagnieren die Zahlen im Jahr 2024 bei rund 166 Millionen Flaschen, und der Umsatz sank sogar um über zehn Prozent auf weniger als drei Milliarden Euro.
Der Rückgang bei der Wertentwicklung der Cognac-Industrie ist somit sogar noch ausgeprägter als das ohnehin schon schwache Volumen. Das zeigt sich besonders im klaren Absatzunterschied zwischen den verschiedenen Qualitätsstufen: Während jüngere Cognacs der Kategorie VS oder VSOP teilweise einen Zuwachs im Versand verzeichnen, bricht die Nachfrage nach den Premium-Varianten, insbesondere XO, massiv ein und verliert über 26 Prozent. Der Hauptgrund für diese Entwicklung liegt in der Schwäche des wichtigsten Wachstummarktes China. Trotz der pandemiebedingten Lockerungen hat sich der chinesische Markt nicht wie erwartet erholt. Nach Jahren der starken Nachfrage und zunehmenden Beliebtheit bei jungen, wohlhabenden Konsumenten stagniert der Absatz.
Der Handelskrieg, veränderte Konsumpräferenzen und längere wirtschaftliche Herausforderungen bremsen die Nachfrage erheblich. China hatte lange Zeit als Wachstumsmotor für Cognac gegolten, nicht zuletzt aufgrund seiner kulturellen Affinität zu hochwertigen Spirituosen und dem Prestige, das ein Glas Cognac weltweit vermittelt. Dass dieser Markt aktuell nicht nur schwächelt, sondern sogar zu einem belastenden Faktor wird, sorgt für große Sorgenfalten innerhalb der Branche. Dieser Einbruch belastet auch große Hersteller überdurchschnittlich stark. So musste der Branchenriese Moët Hennessy im ersten Quartal 2024 einen Umsatzrückgang von 17 Prozent im Bereich Cognac und Spirituosen verbuchen, bedingt durch eine schwache Nachfrage sowohl in China als auch in den USA.
Auch Rémy Cointreau meldete einen dramatischen Rückgang seiner Cognac-Umsätze um fast 22 Prozent und damit einen erheblichen Einkommensrückgang bei einem Geschäftsbereich, der rund 62 Prozent des Gesamtumsatzes ausmacht. Trotz der schwierigen Lage reagiert der Markt mit Anpassungen an den Verbrauchergeschmack. Beispielsweise setzt Rémy Cointreau verstärkt auf den US-Markt, wo in den vergangenen Monaten eine Erholung einsetzte. Dort wird besonders der Einstiegsbereich mit jüngeren Cognacs wie VSOP in den Vordergrund gerückt, denn dieser Markt ist eher volumen- als wertorientiert. Die Situation in den USA sei zwar besser als in China, dennoch ist die Erholung nur schleppend und kann die Verluste an anderer Stelle noch lange nicht ausgleichen.
Die Gründe für den globalen Rückgang der Cognac-Nachfrage sind vielfältig. Neben regionalen wirtschaftlichen Schwierigkeiten und geopolitischen Einflüssen spielen auch veränderte Konsumentengewohnheiten eine Rolle. Die jüngeren Generationen bevorzugen oft andere Spirituosen oder gar alkoholfreie Alternativen. Neue Trends wie Craft-Spirituosen, Gin oder Premium-Whiskeys konkurrieren zunehmend mit Cognac als Lifestyle-Getränk. Zudem nimmt das wohlgehütete Image von Cognac als ausschließlich luxuriöse, traditionelle Spirituose ab.
Während Premium-Konsumenten weiterhin an hochwertigen Produkten festhalten, zeigen breitere Konsumentenschichten wachsende Abkehr. Auch die anhaltenden gesundheitlichen und sozialen Diskurse um Alkoholkonsum beeinflussen die Nachfrage nachhaltig. Hersteller und Händler stehen deshalb vor der Herausforderung, die Marke Cognac neu zu definieren und an moderne Marktbedürfnisse anzupassen, ohne Kernelemente der Tradition preiszugeben. Innovation, Marketing und eine ausgeklügelte Vertriebsstrategie sind gefragter denn je. Die Qualität des Cognacs selbst bleibt unbestritten – die Region Grande Champagne mit ihren kalkhaltigen Böden und die meisterliche Kunst der Destillation schaffen weiterhin Produkte von höchster Güte.
Dennoch ist es entscheidend, dass die Branche diese Qualität auch einem zeitgemäßen Publikum vermittelt. Die Herausforderungen spiegeln sich auch auf dem internationalen Wettbewerb wieder. Cognac verliert zunehmend Marktanteile gegenüber Whisky, Rum und anderen Spirituosenklassikern, die mit attraktiven Angeboten, ansprechenden Geschichten und zeitgemäßem Branding punkten. Die Traditionshäuser sind gefragt, den Spagat zwischen Erbe und Innovation zu meistern. Eine nachhaltige Strategie könnte darin bestehen, neue Märkte stärker zu erschließen.
Während China und die USA große Sorgen bereiten, bieten andere Regionen Wachstumspotenzial, etwa Indien, Südostasien oder Europa selbst, wo Premium-Spirituosen weiter an Beliebtheit gewinnen. Ebenso gewinnen Online-Vertriebskanäle nach der Pandemie an Bedeutung, die flexibler auf Nachfrageveränderungen reagieren können. Insgesamt zeigt sich die aktuelle Lage der Cognac-Industrie als Wendepunkt. Der langjährige Aufschwung ist vorerst gestoppt, und die drohende Stagnation oder gar schrumpfende Nachfrage könnte weitreichende Folgen haben, nicht nur für die Hersteller, sondern auch für die gesamte lokale Wirtschaft in der Region. Fachleute und Branchenführer fordern eine konzertierte Reaktion, die gepaart sein muss mit innovativer Produktentwicklung, gezieltem Marketing und einem besseren Verständnis der Konsumentenbedürfnisse.