Vietnam zählt heute zu den Ländern mit einer der höchsten Kryptowährungsadoptionen weltweit. Trotz eines starken Interesses und einer zunehmend aktiven Community fehlt dem Land ein umfassender rechtlicher Rahmen, der den Handel mit digitalen Vermögenswerten und Kryptowährungen absichert und reguliert. Diese Regulierungslücke birgt gravierende Risiken für zahlreiche Nutzer, die oftmals ohne tiefgehendes Wissen oder strategische Planung auf den schnelllebigen digitalen Finanzmärkten agieren. Experten aus Blockchain- und Fintech-Communities weisen bereits seit geraumer Zeit darauf hin, dass vor allem die hohe Anzahl anfängerorientierter Transaktionen – geprägt von einem ausgeprägten FOMO-Verhalten (Fear of Missing Out) – den Markt zwar weit, aber nicht tief macht. Millionen von Vietnamesen beteiligen sich an Grundgeschäftsvorfällen mit Kryptowährungen, bedeutende tiefergehende Investitionen oder Entwicklungen speziell im Bereich der Blockchain-Technologie bleiben jedoch selten.
Die weltweit anerkannte amerikanische Firma Chainalysis platzierte Vietnam im Global Crypto Adoption Index 2024 auf Rang fünf, was die enorme Größe des Marktes unterstreicht. Zwischen Juli 2022 und Juni 2023 flossen rund 120 Milliarden US-Dollar an Krypto-Transaktionsvolumen in den vietnamesischen Markt. Innerhalb derselben Zeitspanne erziehlten Investoren Gewinne von etwa 1,18 Milliarden US-Dollar. Allerdings zeigen diese Zahlen nur die Aktivität und nicht die Reife des Marktes oder den Schutz der Anleger vor bestehenden Risiken. Die hohe Zahl der privaten Krypto-Inhaber zwischen zehn und siebzehn Millionen wird durch das Fehlen einer klaren gesetzlichen Anerkennung erschwert.
Digitale Vermögenswerte wie Bitcoin und Ethereum werden bislang nicht als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt und es existieren keine offiziellen Richtlinien für die Eröffnung oder Verwaltung von Krypto-Konten auf internationalen Plattformen. Die grösste Gefahr liegt im rechtsfreien Raum von Peer-to-Peer-Transaktionen. Der Umtausch von vietnamesischen Đồng in Stablecoins wie USDT oder USDC, um Zugang zu globalen Krypto-Börsen zu erhalten, erfolgt oft ohne Aufsicht. Dies macht die Nutzer anfällig für Betrug, Geldwäsche oder auch den Totalverlust ihrer Vermögenswerte. Es existieren keine Mechanismen, die bei Problemen eine rechtliche Rückabwicklung oder Entschädigung ermöglichen könnten.
Immer wieder wird auf die Zusammenbrüche großer Krypto-Plattformen hingewiesen, wie beispielsweise Terra-Luna in Südkorea oder FTX, das einst mit einer Bewertung von über 30 Milliarden US-Dollar binnen weniger Tage zusammenbrach. Diese Fälle illustrieren, wie entscheidend ein zuverlässiges regulatorisches Umfeld und gute Unternehmensführung für die Stabilität des digitalen Marktes sind. Insbesondere einzelne Investoren sind oft die ersten, die dadurch schwerwiegende Verluste erleiden und ohne Schutz oder Versicherung oft alleine dastehen. Trotz bezahlbarer Risiken sehen einige Experten dennoch große Chancen für Vietnam, wenn das Land den regulatorischen Rückstand beheben kann. Derzeit wird eine staatliche Digitalwährung, ein sogenannter Central Bank Digital Currency (CBDC), zunehmend als vielversprechendes Zukunftsprojekt betrachtet.
Ein solcher digitaler Đồng, der zu 100 Prozent durch physische Einlagen gedeckt ist, könnte die Preisstabilität gewährleisten, Transaktionsprozesse effizienter machen und als sichere, regulierte Alternative zu privaten Kryptowährungen dienen. Länder wie China, die Europäische Union und Singapur sind teilweise bereits in fortgeschrittenen Phasen bei der Entwicklung oder Pilotierung ihrer eigenen CBDCs. Eine wichtige Forderung ist zudem eine flexible und adaptierbare Regulierungsmethodik. Während das vietnamesische Recht traditionell auf einem zivilrechtlichen System basiert und deshalb auf präzise gesetzliche Definitionen abzielt, die vor der Umsetzung festgelegt werden müssen, setzen andere Staaten mittlerweile verstärkt auf common-law-ähnliche Ansätze. Diese erlauben es Behörden und Gerichten, ihre Entscheidungen dynamisch an die sich schnell entwickelnden Marktbedingungen anzupassen.
Beispiele aus den USA, Großbritannien, Singapur oder der Schweiz zeigen, dass solche Modelle das Wachstum von Fintech- und digitalen Finanzmärkten förderlicher begleiten und stabilisieren können. Ein rigides zivilrechtliches System hingegen läuft Gefahr, hinter technologische Innovationen und Marktentwicklungen zurückzufallen. Experten fordern daher, dass Vietnam seine gesetzgeberischen Prozesse modernisiert, um regulatorische Maßnahmen nicht erst nachträglich, sondern proaktiv und flexibel zu gestalten. Die vietnamesische Regierung hat als Reaktion auf diese Herausforderungen das Finanzministerium beauftragt, bis Mai 2025 einen umfassenden rechtlichen Rahmen für digitale Vermögenswerte zu entwickeln. Bereits im Herbst 2024 wurde ein Entwurf des Gesetzes über digitale Technologieindustrien in die Nationalversammlung eingebracht, der erste Regelungen für den Bereich der digitalen Vermögenswerte vorsieht.
Dieser Schritt setzt ein klares Signal, dass die Regierung die Regulierung digitaler Finanzmärkte als strategisches Ziel betrachtet und die dringend nötige Rechtssicherheit schaffen will. Bis zur Verabschiedung und Implementierung entsprechender Gesetze empfehlen Fachleute allen Vietnamesen, die in Kryptowährungen investieren oder digitale Vermögenswerte handeln möchten, Vorsicht walten zu lassen. Besonders bei nicht regulierten internationalen Handelsplattformen besteht ein erhöhtes Risiko von Betrug, Marktschwankungen und Verlusten. Um unerwünschte Folgen zu vermeiden, ist eine gründliche Recherche und Due Diligence für jeden Privatinvestor unerlässlich. Die rasante Entwicklung im Bereich der digitalen Vermögenswerte eröffnet Vietnam vielfältige Chancen, die Innovationen zu katalysieren und den Zugang für breitere Bevölkerungsschichten zu attraktiven Finanzdienstleistungen zu verbessern.
Ein klarer und moderner rechtlicher Rahmen ist jedoch elementar, damit die langfristige wirtschaftliche und soziale Wirkung dieser Technologien positiv ausfällt. Nur mit verbindlichen Schutzmechanismen, transparenter Regulierung und einer fortlaufenden Anpassung an die Marktprozesse kann Vietnam sein Potenzial in der globalen digitalen Finanzlandschaft voll entfalten und dabei Risiken effektiv minimieren. Die nächsten Monate und Jahre werden somit entscheidend für den vietnamesischen Digitalmarkt sein. Die zügige Umsetzung gesetzlicher Vorgaben und der parallele Aufbau von Kompetenzen im Bereich Digitalwirtschaft und Blockchain-Technologie sind maßgeblich, um nachhaltiges Wachstum zu sichern. In einem global vernetzten Umfeld werden zudem internationale Kooperationen und Best-Practice-Modelle eine wichtige Rolle spielen.
Vietnam steht zweifellos vor einer großen Herausforderung, hat jedoch zugleich die Chance, die Zukunft des digitalen Finanzwesens aktiv mitzugestalten und sich als innovativer Standort in Südostasien zu etablieren.