In den letzten Jahren hat sich die Interaktion mit dem Internet dramatisch gewandelt – nicht zuletzt, weil Google als dominierende Suchmaschine seine Strategien an die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz anpasst. Was anfangs nur wie eine hilfreiche Verbesserung erschien, entpuppt sich zunehmend als eine tiefgreifende Veränderung, die weitreichende Konsequenzen für die gesamte Online-Landschaft hat. Die sogenannte "Google AI Mode", die künstliche Intelligenz nutzt, um Antworten direkt auf der Suchergebnisseite zu liefern, schiebt traditionelle Webseiten und deren Inhalte immer weiter nach unten – und in manchen Fällen ganz ins Abseits. Diese Entwicklung macht nicht nur Content-Anbietern das Leben schwer, sondern bedroht auch die Vielfalt und Offenheit des Internets insgesamt. Doch wie konnte es dazu kommen, und welche Optionen gibt es, um diesem Trend entgegenzuwirken? Es lohnt sich, genauer hinzuschauen.
Google hat mit Einführung der KI-gestützten Suchübersichten begonnen, die eigentlichen Websites hinter den Suchergebnissen weitestgehend auszublenden. Die Antworten, die Nutzer erhalten, sind oft kurze Zusammenfassungen, generiert durch Algorithmen, die relevante Inhalte aus tausenden Quellen aggregieren – ohne den Nutzer tatsächlich auf die Ursprungsseiten weiterzuleiten. Die Folgen für die Betreiber von Websites sind dramatisch: Deutlich weniger Klicks, sinkender Traffic und damit auch geringere Einnahmen aus Werbung oder Verkäufen. Dieses „Abmagerungskur“ setzt das Prinzip des offenen Webs unter Druck, welches von der Verlinkung und Nutzerinteraktion lebt. Der Umstand, dass Inhalte extrahiert, aufbereitet und in einem neuen Kontext präsentiert werden, ohne dass die ursprünglichen Anbieter angemessen profitieren, wird von vielen Betreibern als „Inhaltsausbeutung“ kritisiert.
Die KI-Tools, auf denen Google seine neuen Dienste aufbaut, generieren Antworten basierend auf bestehendem Content, der ursprünglich von Webseiten erstellt und gepflegt wurde. Doch die kaum noch vorhandene Weiterleitung führt dazu, dass diese Inhalte an Wert verlieren. Die äußere Form hat sich gewandelt: Aus Suchmaschine wird Wissensmaschine, in der nicht mehr gesucht, sondern direkt beantwortet wird. Ein oft übersehener Faktor ist dabei, dass nicht nur Google selbst die Verschiebung vorantreibt. Schon lange nutzen viele Webseiten unterschiedliche SEO-Tricks, um in der klassischen Suche besser gefunden zu werden, was oft zu einer Überflutung durch minderwertige Inhalte geführt hat.
Clickbait-Artikel, umfangreiche aber sinnfreie Listicles und Webseiten mit wenig substanziellem Mehrwert haben die Nutzererfahrung über Jahre hinweg beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund erscheinen die KI-generierten Übersichten auf den ersten Blick als Lösung für den Nutzer, der sich den mühseligen Klick durch viele Seiten ersparen will. Doch genau dieses "Kuratieren" von Inhalten kann in mehrfacher Hinsicht problematisch sein. Wenn die Suchmaschine selbst entscheidet, welche Informationen präsentiert werden, entsteht eine neue Art der Kontrolle über das Wissen. Google übernimmt damit nicht nur die Rolle des Vermittlers, sondern wird selbst zum Herausgeber der Antworten.
Die Transparenz leidet darunter ebenso wie die Wahlfreiheit. Wer sich ausschließlich auf die „fertigen“ Antworten verlässt, verliert den Zugang zu den vielfältigen Perspektiven, die das offene Internet eigentlich bietet. Ein weiterer Aspekt, der oft befürchtet wird, ist die Kommerzialisierung der KI-Antworten durch versteckte Werbung. Es gibt Anzeichen dafür, dass Google KI-Antworten nutzen könnte, um bezahlte Empfehlungen in ihre gewünschten Ergebnisse zu integrieren, ohne dass Nutzer dies klar erkennen. Dies erhöht das Risiko einer verzerrten, wenn nicht gar manipulierten Informationsvermittlung, die im schlimmsten Fall die Freiheit der Nutzer einschränkt und kleinen Anbietern vor allem zugunsten großer Konzerne schadet.
Für Content-Ersteller stellt sich die Lage besonders schwierig dar. Während große Marken die Möglichkeit haben, ihre Inhalte für KI-Anwendungen zu lizenzieren und dadurch zumindest einen Teil der Wertschöpfung zu sichern, werden kleinere Anbieter und unabhängige Blogger zunehmend marginalisiert. Sie erhalten kaum noch die nötige Reichweite, um ihre Inhalte überhaupt sichtbar zu machen, geschweige denn Einnahmen zu generieren. Die Vielfalt der Stimmen und die kritische Auseinandersetzung im Internet leiden darunter erheblich. Die Kernfrage lautet daher: Gibt es eine Lösung, die das offene Web und die wirtschaftlichen Interessen der Content-Anbieter schützt, ohne dabei den Nutzern die Vorteile moderner KI-Technologien vorzuenthalten? Einige Vorschläge aus der Community und Branche sind vielversprechend, wenngleich auch sie Herausforderungen mit sich bringen.
Zum Beispiel könnten verbesserte Lizenzmodelle entstehen, bei denen die Betreiber von KI-Systemen für das Nutzen von Originalinhalten fair an die Ersteller abgeführt werden. Es braucht Transparenz und klare Regelungen, um Missbrauch bei der Inhaltsverwertung zu vermeiden. Darüber hinaus könnten alternative Suchmaschinen und Plattformen entstehen, die Wert auf den direkten Traffic und die Förderung von Webseiten legen, anstatt Antworten nur intern zu aggregieren. Die Nutzer können außerdem durch bewusste Suche und Auswahl der Informationsquellen selbst einen Beitrag leisten, indem sie beispielsweise speziell nach Original-Webseiten oder anhand von Empfehlungen unabhängiger Experten suchen. Eine weitere Möglichkeit, die diskutiert wird, liegt in der technischen Gestaltung der KI-Systeme selbst.
Beispielsweise könnten sie darauf ausgelegt werden, weiterführende Links prominent einzubauen und Nutzer aktiv darauf hinweisen, die Originalquelle zu besuchen. Auch rechtliche Rahmenbedingungen, wie sie die EU mit der digitalen Medienpolitik verfolgt, könnten hier eine Schutzfunktion übernehmen und faire Bedingungen garantieren. Abschließend lässt sich sagen, dass Google mit seinem KI-Modus eine essenzielle Veränderung im digitalen Informationsökosystem angestoßen hat. Diese Veränderung bringt einerseits Vorteile für die Nutzer durch schnelle und übersichtliche Antworten. Andererseits stehen die Tragfähigkeit des offenen Webs und die Vielfalt von Online-Inhalten auf dem Spiel.
Es liegt an allen Beteiligten – von den Technologieunternehmen über Content-Ersteller bis zu den Nutzern selbst –, Lösungen zu finden, die einen Ausgleich zwischen Effizienz, Fairness und freiem Zugang zu Wissen schaffen. Nur so kann das Internet auch in Zukunft ein lebendiger, vielfältiger und offener Raum bleiben, der wirklich allen dient.