Die Einstellung der richtigen Talente zählt zu den entscheidenden Faktoren für den Erfolg junger Startups. Gerade Gründer:innen in der Frühphase stehen vor enormen Herausforderungen, wenn es darum geht, qualifizierte Mitarbeitende zu finden, die nicht nur fachlich überzeugen, sondern auch gut zur Unternehmenskultur passen. Dabei schleichen sich oft Fehler ein, die auf lange Sicht teuer werden können und das Wachstum behindern. Es lohnt sich daher, diese typischen Stolperfallen kennenzulernen und frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um ihnen vorzubeugen. Ein großes Missverständnis betrifft den zeitlichen Aufwand, den der Rekrutierungsprozess wirklich erfordert.
Während die Produktentwicklung meist höchste Priorität genießt, wird das Recruiting oft aufgeschoben oder unterschätzt. Doch der Aufbau eines starken Netzwerks und die aktive Kommunikation mit potenziellen Kandidat:innen benötigen viel Zeit – vielfach Monate oder sogar Jahre. Ohne diese langfristige Vorbereitung gestaltet sich die Suche nach passenden Mitarbeitenden später deutlich schwerer. Für Gründer:innen bedeutet das, frühzeitig regelmäßig Zeit in Networking zu investieren, das eigene Vorhaben sichtbar zu machen und Beziehungen zu den richtigen Menschen aufzubauen. Neben der Vorarbeit spielt die Candidate Experience eine zentrale Rolle.
Ein oft hektischer, schlecht vorbereiteter Interviewprozess kann negative Spuren hinterlassen. Wenn Kandidat:innen während der Gespräche das Gefühl bekommen, dass sich niemand richtig vorbereitet hat, mehrfach dieselben Fragen gestellt werden oder Rückmeldungen spärlich und verspätet eintreffen, sinkt die Begeisterung für das Unternehmen rapide. Gerade im umkämpften Arbeitsmarkt, wie etwa im Technologiesektor oder im Web3-Bereich, verbreiten sich schlechte Erfahrungen schnell und können den Ruf eines jungen Startups nachhaltig schädigen. Daher sollten Gründer:innen sicherstellen, dass Interviews gut organisiert sind, individuelle Fragen gestellt werden und Kommunikationskanäle offen und effizient bleiben. Ein weiterer häufiger Fehler besteht darin, Vorstellungsgespräche mit einem einstudierten, generischen Verkaufsgespräch zu beginnen.
Menschen sind unterschiedlich motiviert, weshalb es unerlässlich ist, vorab mehr über die individuellen Beweggründe der Bewerber:innen zu erfahren. Nur so lässt sich ein persönliches Gespräch gestalten, das gezielt auf die Wünsche und Erwartungen der Kandidat:innen eingeht. Dies gilt besonders für Berufseinsteiger aus anderen Branchen, die sich für eine neue, komplexe Technologiebranche interessieren. Gründer:innen sollten den Fokus darauflegen, aktiv zuzuhören und dann ihre Botschaft passend zuzuschneiden, um ein echtes Interesse zu wecken. In der Hektik des Wachstumsprozesses neigen manche Gründer:innen dazu, das Auswahlverfahren zu überstürzen.
Versucht man, den Prozess abzukürzen, indem man zum Beispiel auf praktische Arbeitsproben verzichtet, können Fehlentscheidungen die Folge sein. Eine Fehlbesetzung ist gerade in kleinen Teams gravierend, da sie viel Zeit, Energie und Geld bindet. Ein gut strukturierter Prozess mit klaren Kriterien, einer Arbeitsprobe und umfassenden Referenzchecks schafft Sicherheit. Auch das Einholen sogenannter „Backchannel-Referenzen“ kann zusätzliche hilfreiche Einblicke verschaffen, wenn es diskret und mit Bedacht gemacht wird. Die Etablierung einer klaren Unternehmenskultur ist fundamental, bevor man ein Team groß aufbaut.
Die Unternehmenskultur fungiert als gemeinsames Wertesystem und Handlungsrahmen, der Vertrauen schafft und eine selbständige Arbeitsweise fördert. Fehlt diese Basis, führt das häufig zu Missverständnissen, unklaren Erwartungen und hoher Fluktuation. Die Werte sollten von Anfang an klar definiert und im Interviewprozess konsequent abgefragt werden – und das mithilfe strukturierter Fragen und objektiver Bewertungskriterien, die auch helfen, unbewusste Vorurteile zu minimieren. Kulturfragen dürfen nicht nebenbei erledigt werden, sondern verdienen mehrere Gesprächsrunden im Recruitingprozess. Vor allem bei Führungspositionen ist ein langfristiger Blick gefragt.
Die Versuchung ist groß, kurzfristige Engpässe mit spontan eingestellten Führungskräften zu lösen, ohne deren Entwicklungspotenzial oder Passung für zukünftige Wachstumsphasen zu hinterfragen. Doch das kann zu Reibungen und mehrfachen Besetzungen führen. Eine sorgfältige Planung inklusive klar definierter Rollen und Verantwortlichkeiten über die nächsten Monate hinweg schafft hier Sicherheit. Transparenz in Hinblick auf die Entwicklung der Position und Zukunftserwartungen hilft, die richtigen Kandidat:innen anzuziehen, die mit dem Unternehmen wachsen möchten. Auch beim Vergeben von Titeln ist Vorsicht geboten.
Zwar können klangvolle Bezeichnungen Kandidat:innen locken, doch derartige Hierarchisierungen bergen Risiken. Überzogene Titel können bezüglich Qualifikation und zukünftiger Nachfolgeprobleme verursachen und den Aufbau einer offenen Startup-Kultur erschweren. Wird ein:e Mitarbeitende:r zu früh mit einem Senior-Titel ausgestattet, erschwert das spätere Beförderungen oder das Einbinden erfahrenerer Personen. Es empfiehlt sich daher, Positionen lieber stufenweise zu vergeben und Erfolg zuerst gemeinsam unter Beweis zu stellen. Die Onboarding-Phase wird häufig unterschätzt.
Man geht oft davon aus, dass erfahrene Fachkräfte sofort loslegen können, doch auch sie benötigen klare Erwartungshorizonte und regelmäßige Feedbackschleifen, idealerweise in den ersten Wochen und Monaten nach dem Start. Ein strukturiertes Onboarding, das Ziele für die ersten 30, 60 und 90 Tage definiert, erleichtert das Ankommen und die Integration ins Team. Dabei sollten Gründer:innen auch selbst für einen aktiven Kontakt sorgen und Zugang zu wichtigen Ressourcen sicherstellen. Gerade in sehr kleinen Teams kann ein persönliches Vorstellen und Vernetzen enorm helfen, eine positive Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Häufig herrscht auch eine zu große Fixierung auf akademische Herkunft und Erfahrung bei großen Tech-Unternehmen.
Während renommierte Universitäten und Branchenriesen ohne Zweifel vielversprechende Talente hervorbringen, besteht die Gefahr, Potentiale außerhalb dieses engeren Kreises zu übersehen. Kreativität, Eigeninitiative und Lernbereitschaft sind in Startups oft noch viel wichtiger als die reine Herkunft. Ebenso wenig sollte man starr darauf bestehen, dass Kandidat:innen „crypto-native“ sind – die Blockchain-Branche entwickelt sich rasant, und viele Kompetenzen lassen sich auch aus angrenzenden Bereichen mit entsprechender Lernmotivation übertragen. Ein erweitertes Recruiting-Umfeld eröffnet mehr Chancen und verkürzt die Zeit bis zur Besetzung offener Stellen. Nicht zuletzt ist der Faktor persönlicher Austausch im Zeitalter vermehrter Remote-Arbeit nicht zu unterschätzen.
Während Remote-Modelle mehr Flexibilität und Inklusion ermöglichen, können fehlende direkte Kontakte den Aufbau von Vertrauen, Zusammenarbeit und Bindung erschweren. Regelmäßige persönliche Treffen, Offsites oder regionale Cluster helfen, diese Lücke zu schließen. Die richtige Balance zwischen virtueller und greifbarer Zusammenarbeit verbessert nachhaltig Teamdynamik und Resilienz. Zusammenfassend benötigen junge Gründer:innen vor allem Zeit, Geduld und eine durchdachte Herangehensweise beim Recruiting. Ein bewusster Fokus auf langfristige Netzwerkpflege, eine wertschätzende Candidate Experience, eine definierte Unternehmenskultur und strukturierte Prozesse sind essenziell.
Der Aufbau eines erfolgreichen Teams lässt sich so proaktiv gestalten, sodass teure und frustrierende Fehler vermieden werden. Auch die Einbindung von erfahrenen Recruiter:innen oder Berater:innen kann dabei helfen, wertvolle Impulse und Unterstützung zu erhalten und den Rekrutierungsprozess nachhaltig zu professionalisieren. Mit der richtigen Strategie wächst das Unternehmen nicht nur schneller, sondern auch stabiler und mit motivierten Mitarbeitenden an Bord, die gemeinsam die Vision Wirklichkeit werden lassen.