Im April 2025 hat die britische Finanzministerin Rachel Reeves eine umfassende Reform der Erbschaftsteuer verabschiedet, die einen Steuersatz von 40 Prozent auf das weltweite Vermögen von sogenannten Nicht-Domizilierten vorsieht. Diese Maßnahme, Teil eines größeren Pakets zur Abschaffung des Non-Dom-Status, sollte ursprünglich den Staatshaushalt stärken und für mehr Steuergerechtigkeit sorgen. Allerdings hat sich schnell herausgestellt, dass die Reform erheblich mehr Unruhe ausgelöst hat als erwartet und insbesondere viele wohlhabende Privatpersonen und Investoren dazu brachte, Großbritannien zu verlassen. Infolgedessen erwägt Reeves nun eine Rücknahme oder zumindest eine Anpassung dieser Bestimmungen. Die Abschaffung des Non-Dom-Status und die damit einhergehende Einführung der 40-prozentigen Erbschaftsteuer auf weltweite Vermögenswerte sind zentrale Elemente der Steuerpolitik der Regierung Reeves.
Ursprünglich sollten durch diese Reform jährlich mehrere Milliarden Pfund eingenommen werden, die unter anderem in soziale und infrastrukturelle Projekte fließen sollten. Doch bereits wenige Monate nach Inkrafttreten wurde deutlich, dass der überraschende Steueranstieg wohlhabende Bürger geradezu in eine Abwanderungswelle treibt. Prominente Beispiele wie Richard Gnodde, hochrangiger Banker bei Goldman Sachs, Nassef Sawiris, Mitbesitzer des Fußballclubs Aston Villa, sowie der Stahlmagnat Lakshmi Mittal, zählten zu denjenigen, die das Land verlassen haben oder dies planen. Diese Entwicklungen sind für die britische Regierung ein Warnsignal, denn sie bedrohen die Wettbewerbsfähigkeit des Finanz- und Unternehmensstandorts London sowie den damit verbundenen Wohlstand. Die Sorge um Kapitalflucht und den Verlust von Steuereinnahmen hat somit zu intensiven Gesprächen mit Wirtschaftsberatern und politischen Akteuren geführt.
Ein wichtiger Verhandler in diesem Zusammenhang ist Varun Chandra, Geschäftsberater von Labour-Chef Sir Keir Starmer, der maßgeblich an der Suche nach einer ausgewogeneren Lösung beteiligt ist. Die Kritik an der Erbschaftsteuerreform kommt vor allem aus dem Finanzsektor und von Vermögensverwaltern, die weltweit agierende Klienten betreuen. Anthony Whatling von Alvarez & Marsal beschreibt die Regelung als „komplex und global aus dem Takt“ und betont, dass gerade die internationale Ausrichtung dieser Steuer viele vermögende Personen abschreckt. Die Sorge ist groß, dass britische Unternehmen sowie wertvolle Arbeitsplätze verloren gehen könnten, wenn reiche Unternehmer und Investoren andere Länder bevorzugen, die attraktivere steuerliche Rahmenbedingungen bieten. Auch Unterstützer der Reform warnen vor den Folgen, betonen aber zugleich die Notwendigkeit, Steuergerechtigkeit zu schaffen und die Belastung der Allgemeinheit gerechter zu verteilen.
Derzeit stellt sich die Frage, wie die Regierung einen Mittelweg finden kann, der sowohl die Einnahmezielvorgaben erfüllt als auch den Wegzug von Kassenschlagern innerhalb der Gesellschaft verhindern kann. Dies ist besonders schwierig, da nur ein relativ kleiner Kreis von hochvermögenden Personen tatsächlich von der Erbschaftsteuer auf internationale Vermögen betroffen ist, zugleich aber deren wirtschaftliche Bedeutung sehr hoch ist. Zahlen des Centre for Economics and Business Research (CEBR) illustrieren das Dilemma: Verlässt ein Viertel der ehemaligen Nicht-Domizilierten Großbritannien, bringen die Steueränderungen dem Staat keine zusätzlichen Einnahmen. Bei einer Abwanderung von einem Drittel der Betroffenen könnten die staatlichen Einnahmen sogar um 700 Millionen Pfund im ersten Jahr schrumpfen. Diese Mengen veranschaulichen, wie eng das wirtschaftliche Spiel zwischen Steuerpolitik und Standortattraktivität ist.
Die Finanzministerin Rachel Reeves steht daher vor einem besonders heiklen Balanceakt. Einerseits muss sie die Erwartungen an finanzielle Erträge seitens der Regierung und Öffentlichkeit erfüllen, andererseits ist das Verfehlen dieser Erwartungen durch massenhafte Flucht reicher Steuerzahler ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Aus Sicht vieler Experten wäre eine Anpassung der Erbschaftsteuer ein wirksames Mittel, um die Konkurrenzfähigkeit Großbritanniens auf dem globalen Finanzmarkt zu sichern. Darüber hinaus mahnt die Office for Budget Responsibility (OBR) zur Vorsicht, da die aktuellen Prognosen hinsichtlich der Steuereinnahmen aufgrund der unsicheren Verhaltensreaktionen einer kleinen, aber extrem mobilen Gruppe von Individuen großen Schwankungen unterliegen. Diese Unsicherheit erschwert eine verlässliche Haushaltsplanung und erhöht den Druck auf die Regierung, praktikable Lösungen zu finden.
Die Debatte um die Erbschaftsteuer spiegelt größere Fragen über die Zukunft der britischen Steuerpolitik im internationalen Kontext wider. Während viele Länder weltweit versuchen, vermögende Personen anzuziehen und ihre wirtschaftliche Position durch günstige steuerliche Rahmenbedingungen zu stärken, steht Großbritannien vor der Herausforderung, angemessene Erträge zu erzielen, ohne die Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Die Entscheidung von Reeves, das Steuerpaket möglicherweise zurückzunehmen oder zumindest zu modifizieren, deutet darauf hin, dass die Regierung einen pragmatischen Kompromiss anstrebt. Nicht nur die Finanzbranche beobachtet diesen Schritt genau, auch politische Beobachter und internationale Investoren sind auf die Entwicklung aufmerksam. Die Zukunft des Non-Dom-Status und der Erbschaftsteuer wird weiterhin wesentliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Landschaft Großbritanniens haben und könnte wegweisend für weitere steuerpolitische Entscheidungen sein.
Die Ereignisse rund um die Erbschaftsteuerreform zeigen eindrücklich, wie komplex die Gestaltung einer steuerlichen Gesetzgebung in einer global vernetzten Welt geworden ist. Die Migration wohlhabender Individuen, die Sensitivität von Kapital gegenüber Steuern und die Notwendigkeit, den Staatshaushalt zu sichern, sind Faktoren, die eine stetige Neubewertung der Strategien erfordern. Die britische Regierung scheint diese Dynamik erkannt zu haben und ist nun bereit, auf die Marktreaktionen einzugehen, um langfristig für Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit zu sorgen. Abschließend lässt sich festhalten, dass die Diskussion um das Erbschaftsteuergesetz nicht nur ein steuerpolitisches, sondern auch ein wirtschafts- und gesellschaftspolitisches Thema von großer Tragweite ist. Die geplante Rücknahme der Reform würde nach Expertenmeinung dabei helfen, den Verlust von Kapital, Know-how und Investitionen zu verringern und so den Wohlstand in Großbritannien nachhaltig zu sichern.
Zugleich signalisiert ein solcher Schritt auch eine offene und adaptive Herangehensweise der Regierung, die bereit ist, auf die Bedürfnisse des Marktes zu reagieren und die Balance zwischen fiskalischem Erfolg und Standortattraktivität zu finden.