Die spanische Telekommunikationsgigant Telefonica durchläuft derzeit eine tiefgreifende Umstrukturierung seiner Lateinamerika-Aktivitäten. Mit einem neuen CEO an der Spitze und einer strategischen Neuausrichtung reagiert das Unternehmen auf die Herausforderungen eines sich wandelnden Marktes und der geringeren Profitabilität in vielen spanischsprachigen Ländern der Region. Der neue Vorstandsvorsitzende Marc Murtra fokussiert sich darauf, die Präsenz des Unternehmens in Lateinamerika zu reduzieren und gleichzeitig das Geschäft in profitableren Märkten effizienter auszubauen. Dabei setzt Telefonica vor allem auf eine Konzentration der Ressourcen in einigen Kernmärkten wie Brasilien, während andere Länder schrittweise veräußert werden. Diese Strategie ist Teil eines umfassenderen Plans, die Kapitalrendite zu verbessern und den Firmenwert zu steigern.
Die Entscheidung, die Expansionsbemühungen in weniger rentablen Regionen zu verringern, zeigt ein Umdenken bei Telefonica, das zu einer klareren Fokussierung auf Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltiges Wachstum führt. Im Laufe des vergangenen Jahres hat Telefonica verschiedene Verkäufe in Lateinamerika bekanntgegeben. So gehört der Verkauf des argentinischen Geschäftes an Telecom Argentina für rund 1,245 Milliarden US-Dollar zu den bedeutendsten Transaktionen. Allerdings wurde dieser Schritt vorübergehend aufgrund kartellrechtlicher Bedenken seitens der argentinischen Regierung ausgesetzt. Auch das peruanische Geschäft wurde im April an Integra Tec International veräußert, nachdem die lokale Einheit im Februar Insolvenzschutz beantragt hatte.
Insgesamt konnten in diesem Jahr bereits erhebliche Kapitalverluste in Milliardenhöhe durch die Veräußerung dieser Einheiten verbucht werden, was eine Herausforderung für die finanzielle Bilanz von Telefonica darstellt, aber auch unterstreicht, wie radikal die Neuausrichtung erfolgen muss, um langfristig profitabel zu sein. Mexiko ist ein weiteres Land, in dem Telefonica den Verkauf ihres Geschäfts vorbereiten lässt. Für diesen Zweck hat das Unternehmen die Investmentbank JP Morgan engagiert, um potenzielle Käufer zu finden und das Geschäft optimal zu positionieren. Zudem hat Telefonica in mehreren anderen lateinamerikanischen Ländern Teile ihrer Aktivitäten an Millicom International verkauft, einem in New York gelisteten Telekommunikationsunternehmen, das unter der Marke Tigo in der Region agiert. Diese Verkäufe umfassen die Geschäftsaktivitäten in Kolumbien, Uruguay und Ecuador mit einem Gesamtvolumen von mehreren Hundert Millionen US-Dollar und zeigen, wie Telefonica seine Marktpräsenz fokussiert und konsolidiert.
Im Gegensatz dazu verfolgt Telefonica in Venezuela eine andere Strategie. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen plant das Unternehmen, rund 500 Millionen US-Dollar in den nächsten zwei Jahren zu investieren, um das Mobilfunknetz mit 4G und 5G-Technologien auszubauen. Diese Investition signalisiert Vertrauen in das Potenzial des venezolanischen Marktes und unterstreicht die selektive Herangehensweise bei der regionalen Präsenz. Chile gehört zu den Märkten, für die Telefonica ebenfalls einen Verkauf vorbereitet. Laut Berichten hat das Unternehmen die Investmentbank Citi damit beauftragt, potenzielle Käufer zu sondieren, wobei es zu den Verhandlungen oder Verkaufsabsichten bisher keine offiziellen Stellungnahmen gab.
Bereits in früheren Jahren hat Telefonica ihr Engagement in kleineren lateinamerikanischen Märkten zurückgefahren. So wurde die mobile Telefonsparte in El Salvador 2021 an General International Telecom veräußert, ebenso der panamaische Geschäftsbereich im Jahr 2019 an Millicom. Diese Entscheidungen sind Teil eines strategischen Plans, Ressourcen aus weniger profitablen oder komplexeren Märkten abzuziehen und die Unternehmensstrategie auf vier Kerngeschäfte zu konzentrieren. Neben den Märkten in Lateinamerika zählen Brasilien, Großbritannien, Deutschland und Spanien zu diesen Kernregionen, in denen Telefonica zukünftig verstärkt investieren will. Die Fokussierung auf Brasilien als wichtigsten Markt in Lateinamerika beruht auf dessen Größe, Wachstumspotenzial und vergleichsweise besserer Profitabilität.
Im Zuge der neuen Strategie sollen Investitionen und Innovationen in Netzwerktechnik und digitale Dienste ausgebaut werden, um sich auf den hart umkämpften Telekommunikationsmärkten langfristig behaupten zu können. Die Umstrukturierung, die mit dem Führungswechsel einhergeht, stellt für Telefonica eine Antwort auf schwierige wirtschaftliche Rahmenbedingungen und die zunehmende Konkurrenz in Lateinamerika dar. Niedrigere Profitabilität und Herausforderungen wie politische Unsicherheiten, regulatorische Vorgaben und schwierige makroökonomische Bedingungen in vielen Ländern haben die Managemententscheidungen maßgeblich beeinflusst. Die reduzierte regionale Präsenz soll zudem dabei helfen, das Risiko zu streuen und die operative Effizienz zu steigern. Die geplanten strategischen Maßnahmen und Veräußerungen verdeutlichen einen Wandel in der Unternehmenspolitik, der von einer breiten Marktpräsenz zu einer stärkeren Konzentration auf Kernmärkte mit besseren Ertragsaussichten führt.
Für den Telekommunikationssektor in Lateinamerika hat dies weitreichende Folgen, da ein langjähriger Player seine Position schrumpfen lässt und anderen Wettbewerbern Raum für Wachstum bietet. Gleichzeitig steht Telefonica vor der Herausforderung, sich in den verbleibenden Märkten wie Brasilien technologisch und serviceorientiert weiter zu profilieren, nicht zuletzt durch den Ausbau von 5G-Netzen und digitalen Innovationen. Insgesamt offenbart die Neuausrichtung der Lateinamerika-Strategie durch Telefonica ein klares Bekenntnis zu einer nachhaltigen und profitableren Geschäftsausrichtung. Der Fokus verschiebt sich weg von einer flächenmäßigen Präsenz hin zur Qualität und Wettbewerbsfähigkeit in ausgewählten Märkten. Langfristig soll so die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt und der Unternehmenswert gesteigert werden.