Die Oberfläche des Mars übt seit jeher eine große Faszination auf Wissenschaftler und Weltraumbegeisterte aus. Insbesondere rätselhafte Phänomene wie dunkle und helle Streifen auf bestimmten Hängen haben die Marsforschung über Jahrzehnte begleitet. Diese sogenannten marsianischen Streifen, die vor allem in der Umgebung des gigantischen Vulkans Olympus Mons vorkommen, haben lange Zeit Spekulationen befeuert. Waren sie vielleicht Zeichen fließenden Wassers oder gar Indizien für mikrobielles Leben? Eine kürzlich veröffentlichte Studie bringt nun Klarheit und widerlegt diese populären Hypothesen. Die faszinierenden Beobachtungen und die innovativen Techniken, die zur Aufklärung führten, geben spannende Einblicke in die Planetenprozesse auf unserem roten Nachbarn und verändern unser Bild vom Mars grundlegend.
Die auffälligen Streifen, die sich abwechselnd in dunklen und hellen Tönen auf den Abhängen des Olympus Mons zeigen, waren über Jahrzehnte Gegenstand intensiver Forschung. Olympus Mons selbst ist der höchste Vulkan im Sonnensystem, mit einer Höhe von etwa 22 Kilometern, mehr als doppelt so hoch wie der Mount Everest auf der Erde. Der Berg wird von sogenannten Aureolen umgeben – großen, hügeligen Ablagerungen, die einst durch massive Erdrutsche vom Vulkanhang entstanden sind. Innerhalb dieser Aureolen haben Wissenschaftler immer wieder temporär auftauchende Streifen entdeckt, die bisweilen über Tage oder sogar Jahre sichtbar bleiben. Die verblüffende Ähnlichkeit dieser Streifen mit Wasserläufen löste große Hoffnungen aus, denn flüssiges Wasser ist bekanntlich eine Grundvoraussetzung für Leben, wie wir es kennen.
Anfangs wurde angenommen, dass diese dunklen Streifen sogenannte RSLs (Recurring Slope Lineae) sein könnten – wiederkehrende Hanglinien, die durch das sporadische Fließen von salzhaltigem Wasser oder Salzlauge verursacht werden könnten. Diese Hypothese basierte auf Beobachtungen von ähnlichen Mustern an Hanglagen und der Vorstellung, dass Marsnähe an unterirdische Wasservorkommen zur oberflächennahen Migration des flüssigen Elements verhelfen könnte. Viele Wissenschaftler waren optimistisch, dass diese Stellen als potenzielle Mars-Oasen Leben beherbergen könnten und somit zu einem Ziel für zukünftige bemannte Missionen werden könnten.Doch die jüngsten Forschungen, veröffentlicht in dem renommierten Fachjournal Nature Communications, stellen diese Annahmen infrage. Die Wissenschaftler verwendeten eine revolutionäre Methode, bei der maschinelles Lernen zum Einsatz kam: Ein spezieller Algorithmus wurde mit 86.
000 hochauflösenden Satellitenbildern vom Mars Reconnaissance Orbiter analysiert, um systematisch die Erscheinung und Verteilung der Streifen zu katalogisieren. Dieses umfangreiche Datenvolumen ermöglichte die Erstellung einer Karte mit knapp einer halben Million Streifen, die nahezu die gesamte Marsoberfläche abdeckt.Diese groß angelegte Untersuchung förderte zahlreiche wertvolle Erkenntnisse zutage. Erstens ließ sich kein direkter Hinweis auf flüssiges Wasser in Verbindung mit den Streifen finden. Es gab weder ausgeprägte Wasserspuren noch Anzeichen, dass sich Salzlösung längere Zeit auf der Oberfläche halten konnte.
Stattdessen wurde deutlich, dass die Streifen überwiegend durch Bewegungen von feinem Staub entstehen, der plötzlich von steilen Geländehängen abrutscht und dadurch kurzzeitig dunkle oder helle Spuren hinterlässt. Die Beobachtung, dass diese Streifen auch in extrem trockenen und kalten Regionen auftreten, unterstützt diese Annahme eindrucksvoll.Diese Entdeckung ist bedeutsam, da sie die Vorstellung von lebenden Mikroben direkt an der Marsoberfläche in diesen Regionen in einem neuen Licht erscheinen lässt. Die trockenen Staubablagerungen stellen keine lebensfreundliche Umgebung dar. Der Mars ist nach wie vor ein extrem lebensfeindlicher Ort mit hoher Strahlenbelastung, Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt und nur sehr geringer Atmosphäre.
Dennoch eröffnen solche Untersuchungen ein besseres Verständnis der Marsoberfläche und der Dynamik von Bodenschichten.Die Bilddaten, die unter anderem von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) mit dem ExoMars Trace Gas Orbiter geliefert wurden, helfen, diese komplexen geologischen Prozesse zu visualisieren. Diese hochauflösenden Fotos zeigen die Streifen in beeindruckender Detailgenauigkeit und wurden teilweise künstlich verstärkt, um die Erscheinungen besser zur Geltung zu bringen. Die Ästhetik dieser Spuren wirkt fast künstlerisch und trägt dazu bei, das öffentliche Interesse an der Marsforschung wachzuhalten.Während der Verdacht auf fließendes Wasser an der Marsoberfläche somit als entkräftet gilt, bleibt die Suche nach Wasser und Leben auf dem Mars dennoch ein Schwerpunkt der planetary science community.
Eisbedeckte Polregionen und fernere Untergrundreservoirs sind weiterhin potenzielle Kandidaten. Neue Missionen wie die Mars 2020 Rover Perseverance und weitere Pläne für bemannte Expeditionen zielen darauf ab, diese Fragen zu klären.Die nun bestätigte trostlose Natur der marsianischen Streifen bedeutet aber keinen Rückschritt, sondern vielmehr eine wichtige Korrektur im wissenschaftlichen Verständnis des Roten Planeten. Sie zeigt, wie Fortschritte in Technologie und Datenauswertung – speziell Künstliche Intelligenz bei der Bildanalyse – traditionelle Vorstellungen hinterfragen und präzisieren können.Mars bleibt ein Planet voller Rätsel und Schönheit, dessen Erforschung uns nicht nur Erkenntnisse über unser Sonnensystem liefert, sondern auch wichtige Impulse für die Planung zukünftiger interplanetarer Reisen und, vielleicht eines Tages, der Besiedelung.