Guter Schlaf zählt zu den essentiellen Säulen für Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit. Während viele Menschen verschiedene Methoden zur Verbesserung ihrer Nachtruhe ausprobieren, rückt ein oft unterschätzter Faktor zunehmend ins Licht der wissenschaftlichen Forschung: sexuelle Aktivität. Konventionelle Weisheiten und anekdotische Berichte legen nahe, dass Sex oder Masturbation vor dem Schlafengehen zu einem erholsameren Schlaf führen können. Doch wie sieht es wirklich aus? Eine aktuelle Pilotstudie liefert erstmals objektive Daten, die den Einfluss sexueller Aktivitäten auf den Schlaf spezieller untersuchen, und zeigt vielversprechende Zusammenhänge auf.Das Ziel der Pilotstudie war es, herauszufinden, wie sich verschiedene Arten sexueller Aktivität – keine Sexualität, Solo-Masturbation und Partnersex – auf Messgrößen des Schlafs auswirken.
Dafür wurden vierzehn gesunde, heterosexuelle Paare im mittleren Altersstadium über elf Nächte hinweg mit einem tragbaren Polysomnographie-Gerät namens DREEM3 begleitet. Dieses Gerät misst Schlaf in natürlicher häuslicher Umgebung und liefert verlässliche Daten zu verschiedenen Schlafparametern wie Einschlafdauer, Gesamtschlafzeit, Schlafqualität, Wachphasen und Schlafstadien. Zusätzlich füllten die Teilnehmer täglich Fragebögen über ihre Schlafgewohnheiten, sexuelle Aktivitäten sowie ihr Befinden am nächsten Tag aus.Eines der zentralen Ergebnisse der Studie war, dass sowohl nach Solo-Masturbation als auch nach Partnersex objektiv messbar die Effizienz des Schlafs deutlich besser war als an Nächten ohne sexuelle Aktivität. Konkret zeigten sich deutliche Verringerungen der Wachzeiten nach Einschlafen – auch als WASO (Wake After Sleep Onset) bezeichnet – sowie eine erhöhte Schlaf-Effizienz, also ein höherer Anteil der Zeit im Bett, der tatsächlich mit Schlaf verbracht wurde.
Diese Verbesserungen deuten darauf hin, dass sexuelle Aktivitäten dazu beitragen können, tiefere und ungestörte Nachtruhe zu fördern.Interessanterweise gingen die Teilnehmer nach sexuellen Aktivitäten später zu Bett als an Nächten ohne Sex. Trotz der späteren Schlafenszeit schrumpfte nicht die Gesamtschlafdauer, da sich die Weckzeit nicht wesentlich veränderte. Dies spricht dafür, dass Sexualität den Schlaf zwar verzögert, dabei aber die Qualität so verbessert, dass der Schlaf insgesamt nicht unter Zeitmangel leidet.Subjektive Einschätzungen der Schlafqualität unterschieden sich zwischen den Bedingungen nicht signifikant.
Dieses Ergebnis mag überraschen, ist aber plausibel angesichts der kleinen Stichprobengröße und der gesunden Probanden. Allerdings zeigten sich positive Effekte auf die Motivation und die Bereitschaft für den kommenden Tag insbesondere nach Partnersex. Die Teilnehmer fühlten sich ausgeruhter und motivierter, was auf eine förderliche Wirkung sexueller Intimität auf das allgemeine Wohlbefinden und die Tagesverfassung hindeutet.Wichtig für die Interpretation der Ergebnisse sind die möglichen physiologischen Mechanismen hinter der schlafverbessernden Wirkung sexueller Aktivität. Einseits werden bei einem Orgasmus Neurohormone wie Oxytocin und Prolaktin freigesetzt.
Oxytocin wird oft als das „Kuschelhormon“ bezeichnet und ist für Bindung, Stressreduktion und emotionale Sicherheit bekannt. Zudem senkt es den Cortisolspiegel – das Stresshormon, welches Schlafstörungen begünstigt. Prolaktin steigt nach einem Orgasmus an und wird mit Zufriedenheit und Entspannung in Verbindung gebracht. Zusammen können diese hormonellen Veränderungen eine Art natürlichen Schlafanstoß bewirken, indem sie Körper und Geist beruhigen und auf Ruhe einstellen. Auch Endorphine, die mit Glücksgefühlen assoziiert sind, tragen zur entspannten Stimmung vor dem Einschlafen bei.
Die Studie untersuchte zudem, wie sich gemeinsame sexuelle Aktivität auf die Synchronisierung der Schlafzyklen von Paaren auswirkt. Es zeigte sich, dass die Übereinstimmung insbesondere im REM-Schlaf – der Phase, in der Träume und Gedächtniskonsolidierung stattfinden – bei Paaren, die zusammen schliefen, höher war – unabhängig davon, ob sie Sex hatten oder nicht. Dies bestätigt frühere Beobachtungen, dass das gemeinsame Schlafen allein schon einen Einfluss auf die Schlafsynchronizität hat und auf emotionaler und körperlicher Nähe beruht.Trotz erfreulicher Befunde ist die Studie nicht ohne Einschränkungen. Die geringe Teilnehmerzahl erlaubt nur eingeschränkte Verallgemeinerungen.
Auch wurden nur gesunde, heterosexuelle Paare ohne Schlafstörungen untersucht, was die Aussagekraft für unterschiedliche Altersgruppen, Gesundheitszustände oder verschiedene Beziehungsformen limitiert. Das Erfassen von sexueller Aktivität und Schlaf mittels Selbstberichten birgt außerdem die Gefahr sozialer Erwünschtheit und Rückrufverzerrungen. Die Anweisung, bei der Solo-Masturbation in getrennten Räumen zu schlafen, könnte ebenfalls Einfluss auf die Ergebnisse gehabt haben. Nicht zuletzt war die notwendige Aktivierung des Schlafgerätes direkt nach der sexuellen Aktivität möglicherweise störend und konnte beispielsweise den Einschlafprozess beeinflussen.Um das Wissen über den Zusammenhang von Sexualität und Schlaf weiter zu vertiefen, empfehlen die Studienautoren zukünftige Untersuchungen mit größeren, diverseren Stichproben und auch Personen mit Schlafstörungen.
Es wäre spannend zu erforschen, ob therapeutische Ansätze mit sexueller Aktivität vor dem Schlafengehen bei Schlafproblemen hilfreich sein könnten. Auch ein genauerer Blick auf die Rolle von orgasmischer Erfahrung, Beziehungsqualität und hormonellen Schwankungen insbesondere bei Frauen erscheint lohnenswert.Im Alltag können die Erkenntnisse bereits genutzt werden, um eine gesunde Schlafhygiene zu fördern. Wer sich vor dem Zubettgehen ausreichend Zeit für intime Momente nimmt, profitiert nicht nur von gesteigerter emotionaler Verbundenheit, sondern möglicherweise auch von einem tieferen und erholsameren Schlaf. Die hormonelle Entspannung, die daraus entsteht, kann helfen, Stress abzubauen und das Einschlafen zu erleichtern – zwei wichtige Voraussetzungen für regenerative Nachtruhe.