Die kontinuierliche Nachfrage nach leistungsfähigeren und langlebigeren Energiespeichern hat den Fokus der Forschung auf die Verbesserung von Lithium-Ionen-Batterien (LIBs) gelenkt. Dabei steht Silizium (Si) als Anodenmaterial aufgrund seiner theoretisch sehr hohen spezifischen Kapazität von etwa 3579 mAh g⁻¹ weit im Vordergrund. Allerdings wird die kommerzielle Nutzung von reinen Silizium-Elektroden bislang durch massives Volumenwachstum, mechanischen Stress und instabile Grenzflächen begrenzt, die während der Lithium-Legierungsreaktionen auftreten. Diese Herausforderungen beeinträchtigen die Lebensdauer, Ladegeschwindigkeit und letztlich die Praktikabilität in Anwendungen von Elektrofahrzeugen bis hin zu stationären Energiespeichern. In den letzten Jahren haben Forscher verschiedene architektonische Konzepte für Silizium-Elektroden entwickelt, um die volumetrische Ausdehnung zu puffern und die Elektrodenmechanik zu verbessern.
Zu den prominenten Lösungen zählen offenporige, verborgene und geschlossene Porenstrukturen, die jeweils Vorteile aber auch signifikante Nachteile in Bezug auf Ionentransport und Stabilität aufweisen. So ermöglichen offenporige Strukturen zwar schnelle Ladungstrennung, führen aber zu vermehrten Nebenreaktionen durch direkten Elektrolytkontakt und damit zu Kapazitätsverlusten. Verborgenporige Strukturen bieten mechanische Pufferung, sind aber häufig durch lange Ladungstransportwege und unzureichende Porespeicher begrenzt. Geschlossene Porenstrukturen schützen zwar die Siliziumkerne, behindern jedoch oft den Ionentransport, was die Ladegeschwindigkeit einschränkt. Die Innovation der „Sieving-Poren“ (auch als Siebporen bezeichnet) stellt einen neuen Paradigmenwechsel in der Elektrodendesignstrategie dar, der die Vorteile der hohen mechanischen Stabilität mit einer verbesserten Ionentransportkinetik vereinigt.
Diese Struktur zeichnet sich durch eine innere Nanoporenkörperstruktur mit reserviertem Hohlraum zur Aufnahme der Siliziumdeformation aus und gleichzeitig durch einen äußeren Sub-Nanoporen-Eingang, der als molekulares Sieb fungiert. Dieser subnanometrische Eingang filtert die einströmenden Spezies und ermöglicht eine selektive Durchlässigkeit für Lithiumionen und teilweise desolvatisierte Anionen, während größtenteils solventhaltige Moleküle zurückgehalten werden. Dadurch wird nicht nur der Abbau des Elektrolyts und die Bildung einer organisch dominierten, instabilen Grenzschicht verhindert, sondern es fördert sich auch die Bildung einer anorganisch reichen und mechanisch robusten festen Elektrolytinterphase (SEI) innerhalb der Poren. Die Sieving-Poren-Struktur begünstigt aktiv die sogenannte Pre-Desolvatisierung von Lithiumionen, wodurch diese schneller und effizienter in den aktiven Bereich der Elektrode eintreten können. Im nanoporösen Milieu verändern sich die Solvationsstrukturen des Elektrolyten erheblich, was sich in spectroskopischen Beobachtungen wie der Raman- und Kernspinresonanz (NMR) zeigt.
Die Li⁺-Ionen gehen durch eine Art „Molekülfilter“, der sie von den meisten lösungsmittelgebundenen Hüllen befreit, was die Leitfähigkeit durch die SEI-Schicht verbessert und gleichzeitig unerwünschte Nebenreaktionen im Elektrolyten reduziert. Die mechanische Wirkung dieser Sieving-Poren besteht aus der kraftvollen Einkapselung des expandierenden Siliziums durch die anorganisch reiche SEI und die kohlenstoffgebundenen Porenwände. Diese enge mechanische Fixierung löst das Problem der Bildung der festen und spannungsinduzierten kristallinen Phase Li₁₅Si₄, welche oft als Hauptursache für Elektrodenbruch und Kapazitätsverlust zitiert wird. Durch diese sogenannte Stress-Spannungs-Wechselwirkung wird die Bildung dieser instabilen Phase unterdrückt, was zu einer deutlich gesteigerten Zyklusstabilität führt. Tests haben gezeigt, dass Elektrodenschwellungen bei dieser Technologie bei rund 58 % bleiben – ein Wert, der im Vergleich zu herkömmlichen Silizium-Elektroden signifikant reduziert ist und somit zur strukturellen Integrität über sehr viele Ladezyklen beiträgt.
Ein weiterer Vorteil der Sieving-Poren basierten Siliziumelektroden ist die erhöhte Anfangs-Coulomb-Effizienz (ICE) von mehr als 93 %. Dieser Wert ist für Silizium-Anoden außergewöhnlich hoch und steht im direkten Zusammenhang mit der reduzierten Oberflächenreaktivität und der organischarmen SEI-Signatur. Die hohe ICE führt zu einer effizienteren Nutzung der aktiven Lithium-Ressourcen in der Batterie, was insbesondere für Anwendungen mit begrenztem Lithiumangebot entscheidend ist. Die Herstellung der Sieving-Poren-Elektroden erfolgt mittels eines zweistufigen chemischen Gasphasenabscheidungsverfahrens (CVD). Dabei wird zunächst amorphes Silizium innerhalb der maßgeschneiderten mikroporösen Kohlenstoffträger synthetisiert.
Anschließend erfolgt die Abscheidung einer schmalen kohlenstoffhaltigen Schicht an den Poreneingängen, die den Durchmesser präzise auf sub-nanometerische Dimensionen einschränkt. Diese Maßnahme schafft effektiv den siebenden Effekt und erhält gleichzeitig genügend Hohlraum in den Poren, um die massive Volumenschwankung von Silizium während der Lithiation abzufedern. Die Skalierbarkeit dieses Verfahrens wurde auch bereits demonstriert, mit Produktionschargen von über 20 kg pro Batch, was wirtschaftliche Herstellungsaussichten ermöglicht. Fortschrittliche Charakterisierungsmethoden wie hochauflösende Transmissionselektronenmikroskopie (HRTEM), energiedispersive Röntgenspektroskopie (EDS) und Small-Angle-X-ray-Scattering (SAXS) bestätigen die gezielte Gestaltung der Poren und die Verteilung von Silizium im Inneren der Kohlenstoffträger. Insbesondere SAXS zeigt eine stabile Porositätsstruktur nach dem Carbon-Coating, die auf die erfolgreiche Poreingrenzung hindeutet, ohne den Porenkörper zu verschließen.
Elektrochemische Tests an Sieving-Poren-Elektroden zeigen herausragende Zyklusstabilität mit einer Kapazitätserhaltung von über 97 % nach 200 Ladezyklen und einer vernachlässigbaren Kapazitätsabnahme von nur 0,015 % pro Zyklus. Zudem werden hohe Lade- und Entladeraten bei gleichzeitiger Kapazitätsstabilität erreicht, etwa bei extrem hohen 6 A g⁻¹. In praktischen Zellen mit gemischten Graphit-Si Anoden liefert die Technologie eine stabilisierte Leistung für über 1700 Zyklen mit 80 % Kapazitätserhalt und eine schnelle Aufladung innerhalb von 10 Minuten, ohne signifikanten Leistungsverlust. Die mechanische Integrität dieser Elektroden bleibt auch nach zahlreichen Ladezyklen erhalten. FIB-SEM-Analysen zeigen keine offensichtlichen Risse oder Mikrofrakturen in der Partikelstruktur, was die Wirksamkeit der inneren Pufferungsmechanismen und die mechanische Einkapselung durch die SEI bestätigt.
Diese Eigenschaften sind entscheidend für die Vorbeugung von Kontaktverlusten und zur Aufrechterhaltung einer effizienten Ladungstransportkinetik. Abgesehen von der elektrochemischen Leistung und mechanischen Stabilität sind Sieving-Poren-Elektroden auch vielversprechend hinsichtlich der Interaktion mit dem verwendeten Elektrolyt. Die Einschränkung der Lösungsmittelmoleküle an den Poreneingängen verhindert das Eindringen von unerwünschten Komponenten in die aktiven Bereiche und begrenzt somit die Entstehung gasförmiger Nebenprodukte während des Betriebs. Dies resultiert in einer besseren Sicherheit und einer höheren Lebensdauer des gesamten Batteriesystems. Insgesamt stellt das Konzept der Sieving-Poren eine elegante Lösung dar, die sowohl die chemischen als auch mechanischen Herausforderungen bei der Integration von Silizium in Lithium-Ionen-Batterien überwindet.
Die Kombination aus selektivem Ionenzugang, reduzierter Elektrolytkontaktfläche und mechanischer Fixierung bietet einen ausgewogenen Kompromiss, der sowohl eine hohe Kapazität als auch lange Lebensdauer und schnelle Ladefähigkeit gewährleistet. Dieser Ansatz könnte Wegbereiter für die nächste Generation von Hochleistungsbatterien sein, die dem steigenden Bedarf an effizienten Energiespeichern für Elektrofahrzeuge, tragbare Elektronik und erneuerbare Energiesysteme gerecht werden. Zukünftige Entwicklungen werden darauf abzielen, die Materialkosten weiter zu senken, die Herstellung noch effizienter zu gestalten und die Integration mit bestehenden Fertigungsprozessen zu optimieren. Zudem könnten modifizierte und auf andere elektrochemisch aktive Materialien angepasste Sieving-Poren-Designs dazu beitragen, die Technologie auf verschiedene Batterietypen und Anwendungen auszudehnen.