Die Bedeutung eines Hochschulabschlusses ist seit mehr als einem Jahrhundert unbestritten. Bereits im frühen 20. Jahrhundert galt der Besuch einer Universität als Schlüssel für persönlichen und wirtschaftlichen Aufstieg. Doch die Art und Weise, wie Bildungswege verlaufen und welche Gruppen am meisten von einem Studium profitieren, hat sich über die Jahrzehnte hinweg erheblich verändert. Besonders auffällig ist, wie sich die sogenannte „collegiate regressivity“, also die zunehmende Ungleichheit in den Vorteilen eines Hochschulabschlusses zugunsten höherer Einkommensschichten, seit Mitte des 20.
Jahrhunderts entwickelt hat. Diese Entwicklung wirft Fragen zur Rolle der Hochschulbildung bei der sozialen Mobilität und deren Fähigkeit, Ungleichheit zu reduzieren, auf. Um die Komplexität dieser Veränderungen zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die historische Entwicklung des Hochschulzugangs und der Bildungsrenditen von 1900 bis heute. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Hochschulbildung in den Vereinigten Staaten eine privilegierte Domäne.
Der Zugang war stark limitiert, doch diejenigen, die einen Abschluss erlangten, profitierten von vergleichsweise gleichen wirtschaftlichen Vorteilen, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. Ein Hochschulstudium hatte also das Potenzial, soziale Schranken zu überwinden und individuelle Einkommensperspektiven erheblich zu verbessern. Die Bildungsrendite war damals relativ gleichmäßig verteilt, was bedeutete, dass auch Studierende aus niedrigeren Einkommensschichten ähnliche Gehaltsprämien erhielten wie ihre wohlhabenderen Kommilitonen. Diese Ära kann als „zeit der relativen Chancengleichheit“ bei den wirtschaftlichen Vorteilen des Hochschulabschlusses verstanden werden. Doch seit etwa 1960 zeichnet sich ein deutlicher Wandel ab: Die relative Lohnprämie für Hochschulabsolventen aus unteren Einkommensgruppen hat sich mehr als halbiert.
Diese Verschiebung lässt sich durch mehrere miteinander verknüpfte Faktoren erklären, die maßgeblich zur wachsenden „collegiate regressivity“ beitragen, also der stärkeren Vorteilsakkumulation für Studierende aus höheren Einkommensschichten. Eine tiefgreifende Analyse verschiedener Umfrage- und Verwaltungsdatenquellen zeigt, dass etwa 80 Prozent dieser Ungleichheitszunahme auf drei wesentliche Entwicklungen zurückzuführen sind. Erstens hat sich die Finanzierungssituation der öffentlichen Hochschulen, die traditionell einen Großteil der Studierenden aus niedrigeren Einkommensschichten beherbergen, deutlicher verschlechtert. Seit 1960 sind Mittel für Lehre, studentische Betreuung und wirtschaftlichen Mehrwert dieser Einrichtungen vergleichsweise stark zurückgegangen. Dies trifft insbesondere auf staatliche Universitäten zu, die als „teaching-oriented“ klassifiziert werden, also einen Schwerpunkt auf die Lehre und nicht ausschließlich auf Forschung oder Eliteausbildung setzen.
Die schlechtere Ausstattung wirkt sich negativ auf die Retentionsraten und die letztendlichen Anstellungschancen der Studierenden aus diesen Institutionen aus. Somit verbleibt ein erheblicher Anteil der einkommensschwächeren Gruppe an Hochschulen, die weniger effektiv zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation beitragen. Zweitens zeigt sich seit den 1980er und 1990er Jahren ein Trend, dass Studierende aus unteren Einkommensgruppen zunehmend in Community Colleges oder for-profit Colleges abwandern. Diese Einrichtungen bieten zwar häufig flexiblere und kostengünstigere Bildungschancen, liefern jedoch im Durchschnitt geringere Einkommensprämien nach Studienabschluss als traditionelle vierjährige Universitäten. Insbesondere for-profit Colleges stehen oft in der Kritik, dass sie weniger qualitativ hochwertige Bildung und schlechtere berufliche Aussichten bieten.
Diese Verschiebung in der Studienwahl hat somit einen erheblichen Anteil an der Abnahme der wirtschaftlichen Vorteile für untere Einkommensgruppen. Drittens besteht seit etwa 2000 ein signifikantes Muster bei den Fächerwahlen der Studierenden aus höheren Einkommensschichten, das die Ungleichheit verstärkt. Während die Humanwissenschaften bei Studierenden aus wohlhabenden Familien rückläufig sind, nimmt die Zahl der Absolventen im Bereich der Informatik deutlich zu. Da technische und computerwissenschaftliche Abschlüsse in der Regel mit höheren Lohnprämien verbunden sind, steigert diese Schwerpunktverschiebung die wirtschaftlichen Vorteile der oberen Einkommensschichten weiter. Im Gegensatz dazu bleibt die Studienfachwahl der unteren Einkommensgruppen oft konservativ und auf weniger lukrative Felder beschränkt.
Obwohl sekundäre Auswahlprozesse wie der Übergang vom High School-Abschluss zur Hochschule oder die Verteilung auf vierjährige Universitäten eine Rolle spielen, sind diese im Vergleich zu den genannten Faktoren weniger ausschlaggebend für die wachsende Ungleichheit. So hat der reine Zugang zum Studium nicht mehr die gleiche egalisierende Wirkung wie früher, vielmehr ist es entscheidend, welche Hochschulart besucht wird und welches Fach studiert wird. Die Konsequenzen dieser Entwicklungen sind weitreichend. Vor 1960 boten Hochschulabschlüsse eine vergleichsweise gerechte Möglichkeit, Einkommensschranken zu überwinden, was die Idee der sozialen Mobilität durch Bildung stützte. Mittlerweile zeigt sich, dass diese Rolle deutlich abgenommen hat.
Die „collegiate regressivity“ begrenzt heute das Potenzial der Hochschulbildung, soziale Ungleichheiten zu reduzieren, und trägt stattdessen dazu bei, dass sich Vorteile für höhere Einkommensschichten verstärken. Aktuelle Forschungsschätzungen bringen zum Ausdruck, dass Bildung heute etwa 25 Prozent der intergenerationellen Einkommensübertragung vermittelt – ein Indiz dafür, wie stark Bildung als Mechanismus für wirtschaftliche Persistenz und Ungleichheit wirkt. Es stellt sich daher die Frage, wie Hochschulsystem und Politik darauf reagieren können. Eine mögliche Antwort besteht darin, die Finanzierung insbesondere der öffentlich-rechtlichen und lehrorientierten Hochschulen wieder zu stärken. Dies würde dazu beitragen, die Qualität der Ausbildung und die Chancen für Studierende aus einkommensschwachen Familien zu verbessern.
Außerdem könnte eine kritischere Bewertung und Regulierung von for-profit Colleges nötig sein, um die Qualität und den Nutzwert der angebotenen Bildungsprogramme zu gewährleisten, sodass sie nicht zu einer Bildungskarriere mit geringeren Einkommensaussichten führen. Darüber hinaus wäre es wichtig, Programmausrichtungen und Studienfachwahl stärker zu unterstützen, damit mehr Studierende aus unteren Einkommensschichten Zugang zu zukunftsorientierten und erwerbswirtschaftlich vorteilhaften Studienfächern erhalten. Mentoring, Informationsangebote und finanzielle Anreize könnten hier helfen, Bildungsentscheidungen breiter zu diversifizieren und aus der bisherigen Stereotypisierung auszubrechen. Die Analyse der historischen Entwicklung der Hochschulmobilität zeigt, dass Bildung zwar immer noch ein Schlüssel für persönliche und wirtschaftliche Entwicklung darstellt, jedoch nicht mehr automatisch als Motor für soziale Gleichheit wirkt. Der Wandel seit 1900 verdeutlicht, wie eng Bildung, Finanzierung, institutionelle Rahmenbedingungen und Fächerwahl verknüpft sind und gemeinsam die Chancenungleichheit reproduzieren oder abbauen können.
Die Herausforderungen sind komplex, doch eine bewusste und gezielte Bildungspolitik kann dazu beitragen, das Potenzial der Hochschulbildung erneuert als sozial integratives Instrument zu entfalten und den Traum einer größeren Chancengerechtigkeit für die Zukunft zu bewahren.