Chinas Wirtschaft zeigt auch im Jahr 2025 eine Mischung aus Licht und Schatten, die wichtige Erkenntnisse über die zukünftige Entwicklung der global einflussreichen Volkswirtschaft bietet. Während die Einzelhandelsumsätze im Mai mit einem beeindruckenden Wachstum von 6,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr einen neuen Höchststand seit Dezember 2023 erreichten, enttäuschte die Industrieproduktion mit einem Wachstum von 5,8 Prozent knapp unter den Erwartungen. Diese divergente Entwicklung wirft Fragen über die Nachhaltigkeit des Konsumaufschwungs und die zugrundeliegenden wirtschaftlichen Herausforderungen auf. Das Wachstum im Einzelhandel übertraf die Prognosen von Analysten, die im Durchschnitt mit rund fünf Prozent gerechnet hatten. Der Anstieg ist nicht nur ein Zeichen der Erholung nach den pandemiebedingten Einbrüchen der letzten Jahre, sondern auch Ausdruck gezielter Maßnahmen der chinesischen Regierung, die den Konsum durch staatliche Subventionen und Fördersysteme ankurbeln.
Insbesondere das Handel-Tauschprogramm für Konsumgüter und die wachsende Online-Shopping-Welle im Vorfeld des chinesischen E-Commerce-Events „618“ trugen maßgeblich zum Absatz bei. Zudem hat die Erweiterung der visafreien Einreise einiger Länder zu einem Anstieg der ausländischen Touristen geführt, was den stationären Handel in urbanen Zentren wie Shanghai zusätzlich stärkt. Diese positive Entwicklung im Konsumbereich bietet wichtige Impulse für eine Wirtschaft, die lange Zeit mit Problemen wie Deflation und schwacher Inlandsnachfrage zu kämpfen hatte. Die Verbraucherpreise verzeichneten im Mai dennoch einen Rückgang von 0,1 Prozent im Jahresvergleich, während die Produzentenpreise sogar um 3,3 Prozent sanken. Die Gefahr einer Stagnation oder gar Deflation schreckt die chinesischen Entscheidungsträger nicht ab, angesichts der moderaten Wachstumsprognosen aber zu entschlossenen Eingriffen.
Denn moderate Inflation ist entscheidend, um Investitionen und Konsum gleichermaßen aufrechtzuerhalten. Im Gegensatz zum robusten Umsatzwachstum im Einzelhandel fiel die Industrieproduktion mit 5,8 Prozent Wachstum etwas schwächer aus als erwartet. Dies könnte Indikator für Probleme im verarbeitenden Gewerbe und in den Produktionskapazitäten sein. Branchenbeobachter sehen darin Hinweise auf anhaltende Herausforderungen im globalen Handelsumfeld sowie in den innenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Die Unsicherheit in Handelspolitik und geopolitischer Lage belastet besonders exportorientierte Unternehmen.
Die jüngste Zollvereinbarung zwischen China und den Vereinigten Staaten, die eine vorübergehende Aussetzung hoher Zölle vorsieht, sorgte zwar für Entlastung und führte zu Vorzieheffekten bei Exporten, konnte jedoch die Schwäche gegenüber langanhaltenden Belastungen nicht vollständig ausgleichen. Zudem zeigt die Investitionsentwicklung eine verlangsamte Dynamik. Die Bruttoanlageinvestitionen wuchsen im Januar bis Mai 2025 nur noch um 3,7 Prozent, was unter den Erwartungen von 3,9 Prozent lag. Besonders der Immobiliensektor verzeichnet einen deutlichen Rückgang von 10,7 Prozent bei den Investitionen und bleibt somit ein signifikanter Belastungsfaktor für die Gesamtwirtschaft. Der Immobilienmarkt leidet weiterhin unter fallenden Preisen – in den wohlhabenderen Metropolen fielen die Hauspreise um 1,7 Prozent, in mittleren und kleineren Städten sogar noch stärker.
Der anhaltende Abschwung im Immobiliensektor wirkt sich nicht nur negativ auf Investitionen, sondern auch auf die Konsumentenstimmung aus. Traditionell gilt Eigentum als wichtiger Vermögenswert für chinesische Haushalte, und fallende Immobilienwerte haben oft eine dämpfende Wirkung auf das Konsumverhalten. Experten warnen davor, dass ohne Gegenmaßnahmen das vergangene Wachstum im Einzelhandel nicht nachhaltig sein könnte. Die Arbeitslosigkeit in den urbanen Zentren ist hingegen mit 5,0 Prozent im Mai 2025 auf dem niedrigsten Stand seit November des Vorjahres. Dies spricht für eine verbesserte Lage auf dem Arbeitsmarkt, auch wenn strukturelle Herausforderungen bestehen bleiben.
Die niedrige offizielle Arbeitslosenquote ist ein positives Signal für die Binnenwirtschaft, muss aber im Kontext der Gesamtentwicklung bewertet werden. Chinas Wirtschaft steht damit vor einem Spannungsfeld aus vielversprechenden Signalen im Konsumsektor und deutlichen Bremsspuren in der Industrie und im Bauwesen. Die fiskalischen Maßnahmen der Regierung, darunter Subventionsprogramme für Konsumgüter, sind wichtige Instrumente, um die Wirtschaft zu stützen. Einige lokale Verwaltungen haben jedoch bereits den Handel-Tausch-Programm gestoppt, da die zentralen Fördergelder aufgebraucht sind und zusätzliche Mittel noch nicht bereitstehen. Es wird erwartet, dass die Regierung bei einer möglichen wirtschaftlichen Abschwächung gegen Ende des Jahres weitere Stimulusmaßnahmen ergreifen könnte.
Während die Exportzahlen insgesamt hinter den Erwartungen zurückblieben, zeigten sich regionale Handelsbeziehungen mit Ländern in Südostasien, der Europäischen Union und Afrika robust. Die Exporte in die USA hingegen sank im Mai deutlich um über 34 Prozent im Jahresvergleich, ein historischer Tiefstand seit Beginn der Corona-Pandemie. Dennoch bewerten Analysten die Exportdaten insgesamt als robust und sehen darin ein Zeichen dafür, dass die Zollsanktionen nur begrenzten Einfluss auf das Gesamtvolumen der chinesischen Ausfuhren haben. Die anhaltende Unsicherheit in der Handelspolitik, der Druck auf den Immobilienmarkt und die strukturellen Herausforderungen in der Industrie lassen ein gemischtes Bild von Chinas Wirtschaftsleistung erkennen. Die jüngsten Daten signalisieren, dass der Aufschwung im Einzelhandel zwar beachtlich ist, doch ohne nachhaltige Fortschritte in der Industrieproduktion und einer Stabilisierung am Immobilienmarkt bleibt die wirtschaftliche Erholung fragil.
Ökonomen fordern deshalb verstärkte wirtschaftspolitische Unterstützung und setzen auf eine stärkere Ausrichtung der Maßnahmen auf den Dienstleistungssektor, der als künftiger Wachstumsmotor gilt. Angesichts der zunehmenden Komplexität internationaler Handelsbeziehungen und dem internen Wandel der Wirtschaft hin zu mehr Konsum und Innovation wird die nachhaltige Förderung der Binnenwirtschaft zur zentralen Herausforderung der chinesischen Politik. Darüber hinaus wird erwartet, dass China verstärkt auf Technologieförderung, Umwelttechnologien und digitale Wirtschaft setzt, um langfristig robuste Wachstumspotenziale zu erschließen. Die akute Immobilienstagnation bedarf gezielter Maßnahmen, um die Investitionsfreude wieder zu beleben und das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen. Letztlich steht China vor der Aufgabe, in einem global dynamischen wie volatilen Umfeld seine Wirtschaftspolitik flexibel und reaktionsfähig zu gestalten.
Der Mai 2025 lieferte wichtige Indikatoren, die einerseits Hoffnung geben und andererseits zu Vorsicht mahnen. Ein nachhaltig starkes Wachstum wird nur möglich sein, wenn die politischen Maßnahmen gezielt auf strukturelle Herausforderungen eingehen und gleichzeitig neue Wachstumstreiber aktiv gefördert werden. Die kommenden Monate werden zeigen, wie erfolgreich China diese Balance zwischen Stabilität und Reformen meistern kann.