Philadelphia ist bekannt für seine historischen Reihenhäuser mit charakteristischen Fensterbankgärten, die eine grüne Oase mitten in der urbanen Kulisse schaffen. Diese kleinen, oft farbenfrohen Pflanzenarrangements gehen weit über reine Dekoration hinaus. Sie sind Teil einer langen Tradition, die städtebaulichen Wandel mit sozialem Engagement verbindet und tief mit den städtischen Reformbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts verwoben ist.
Die Geschichte der Fensterbankgärten in Philadelphia erzählt von Frauen, die mit botanischer Leidenschaft und gesellschaftlichem Auftrag für bessere Lebensbedingungen kämpften. Sie nutzten Pflanzen als Instrument der Gemeinwohlförderung und als symbolisches Mittel, um städtische Räume lebenswerter und sauberer zu gestalten. Besonders während der Progressive Era setzten sich weibliche Aktivistinnen für das Konzept der ‚municipal housekeeping‘ ein, das Hausarbeit und Sorgeprivat auf die gesamte Nachbarschaft ausweitete. Fensterbankgärten wurden somit zu grünen Botschaftern sozialer Reform. Im Zuge der Industrialisierung und des raschen Wachstums Phildelphias führte die Bevölkerungsexplosion zu schlechten Wohnbedingungen, besonders in den ärmeren Vierteln mit vielen Einwanderern und afroamerikanischen Familien.
Fensterbankgärten boten nicht nur eine Möglichkeit zur Verschönerung, sondern auch zu einer stärkeren Identifikation mit dem Wohnumfeld. Wohltätige Organisationen und engagierte Frauen verteilten Pflanzen und Samen als Teil karitativer Initiativen, um mit einfachen Mitteln ein Stück Natur in die Stadt zu bringen. Dabei sollte das Anlegen der Fensterkästen nicht allein die Ästhetik verbessern, sondern zu einem symbolischen Prozess der Selbstverbesserung und Eingliederung in die amerikanische Gesellschaft beitragen. Während manche Fensterbänke liebevoll gepflegt wurden, gab es auch solche, die verwaist waren oder nur mit künstlichen Pflanzen bestückt wurden, was auf unterschiedliche sozioökonomische Realitäten innerhalb der Stadtteile hinwies. Fensterbankgärten sind nicht nur dekorative Elemente, sondern Teil der Landschaftsarchitektur, die Fassaden lebendiger und einladender macht.
Sie stellen eine Verbindung zwischen privaten Räumen und dem öffentlichen Straßenraum her, erhöhen die Lebensqualität für Bewohner und Passanten und tragen zur städtischen Identität bei. In Philadelphia traten zwei Bewegungen hervor, die das Fensterbankgärtnern als politisches und soziales Werkzeug nutzten. Die erste, Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts, war gekennzeichnet von wohltätigen Frauen, die insbesondere armen Einwandererfamilien und afroamerikanischen Bewohnern Pflanzen spendeten.
Die zweite, die Mitte des 20. Jahrhunderts aufkam, war eine Form des urbanen Aktivismus, bei dem weiße Damen aus Gartenclubs gemeinsam mit afroamerikanischen Gemeinschaften Fensterbänke anlegten, um dem Zerfall der Stadtviertel entgegenzuwirken. Diese Zusammenarbeit war besonders bemerkenswert, da sie in einer Zeit starker Rassenspannungen stattfand und ein Symbol des Miteinanders darstellte. Studien aus dieser Zeit zeigten, dass Straßenzüge mit Fensterbankgärten von der Polizei als sicherer eingestuft wurden, da die gepflegten grünen Elemente Verantwortung signalisieren und somit Kriminalität reduzieren können. Trotz der positiven Effekte sind Fensterbankgärten natürlich kein Allheilmittel gegen strukturelle Probleme wie Wohnungsmangel oder systematische Diskriminierung.
Tatsächlich wurde kritisiert, dass sie soziale Missstände manchmal lediglich kaschieren, ohne die eigentlichen Ursachen zu beseitigen. Im Rahmen der Stadterneuerung ab den 1950er Jahren trugen Fensterbankgärten dazu bei, einige alte Stadtviertel vor dem Abriss zu bewahren und ihnen neue Lebensqualität zu verleihen. Doch mit der Gentrifizierung stiegen die Immobilienpreise, wodurch viele der ursprünglichen Bewohner verdrängt wurden, die einst durch ihre Fensterbankgärten versucht hatten, ihre Nachbarschaften zu schützen und aufzuwerten. Heute sind Fensterbankgärten in Phildelphias Innenstadtvierteln oft luxuriöse Statussymbole, die von professionellen Dienstleistern gepflegt werden. Für Bewohner mit niedrigem Einkommen hingegen bleiben Aufwand und Kosten für die Pflege ein Hindernis.