In der heutigen Gesellschaft wird die Vorstellung von Frauen oft in einer Weise dargestellt, die ihre Menschlichkeit und Komplexität reduziert. Wie Victoria Smith in ihrem Essay „Women are not dolls“ treffend analysiert, ist die Frauenrolle zunehmend geprägt von einer ‚Puppen-Metapher‘, die mehr über gesellschaftliche Erwartungen und männliche Fantasien verrät als über das reale Leben und die vielfältigen Identitäten von Frauen. Die Problematik manifestiert sich dabei in verschiedenen Facetten des gesellschaftlichen Diskurses, angefangen von populären Medien über den Einfluss bestimmter Ideologien bis hin zu technologischen Entwicklungen wie der Verbreitung von Sexrobotern. Es zeigt sich ein besorgniserregender Trend, der Frauen nicht als eigenständige Menschen mit eigenen Gedanken, Gefühlen und Bedürfnissen, sondern als eindimensionale, manipulierbare Objekte betrachtet. Diese Entwicklung ist weder zufällig noch harmlos, sondern hat profund negative Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Geschlechterrollen und auf den Feminismus selbst.
Historisch betrachtet war die Instrumentalisierung von Frauenkörpern und -rollen in der Kultur kein neues Phänomen. Doch die heutige Verschmelzung der „Puppen“-Metapher mit modernen Diskursen verleiht dem Thema eine neue Dringlichkeit. Bereits 2010 wies Natasha Walter in ihrem Buch „Living Dolls“ darauf hin, wie junge Frauen unter dem Einfluss von Pornokultur und engen Geschlechterstereotypen eine ‚Puppenexistenz‘ anstreben. Sie versuchen, durch extreme Maßnahmen wie strenge Diäten, Schönheitsoperationen und ständiges Styling einem idealisierten, aber künstlichen Frauenbild zu entsprechen. Dieses Bild ähnelt der Plastikästhetik von Barbies oder Bratz-Puppen – wunderschön, aber seelenlos.
Während diese Beobachtungen damals noch leichter als legitime feministische Kritik gelten konnten, sind sie heute kaum noch gesellschaftlich akzeptabel. Denn viele der Faktoren, die zum „Puppen-Dasein“ beitragen, werden inzwischen als progressive Errungenschaften gefeiert – insbesondere die Selbstbestimmung über den eigenen Körper und die Zur-Schau-Stellung weiblicher Sexualität. Ein neues Problem entsteht dadurch, dass die Idee von Frau-Sein zunehmend von der Vorstellung eines menschlichen Innenlebens losgelöst wird. Smith beschreibt, wie die „Doll“-Metapher nicht nur auf äußere Erscheinungen, sondern zunehmend auf eine vermeintliche innere Leere abzielt. Einerseits wird diese Idee im Rahmen bestimmter trans-Communitys propagiert, in denen ‚doll‘ für hyper-feminine trans Frauen verwendet wird, die möglichst perfekt imitierten weiblichen Schönheitsidealen entsprechen wollen.
Andererseits bedient sie auch eine tief verankerte männliche Fantasie, etwa in Person von Sexrobotern, die als „Upgrade“ gegenüber realen Frauen gelten: loyal, passiv, niemals widersprechend und ausschließlich auf männliche Lust und Kontrolle ausgerichtet. Die zunehmende Akzeptanz dieser Vorstellungen ist kein Zufall, sondern eng verknüpft mit einem gesellschaftlichen Wandel, der oberflächliche Ästhetik und männliche Begierden über die individuelle Menschlichkeit von Frauen stellt. Die Wirkung ist doppelt problematisch. Zum einen wird dadurch realen Frauen ihre Authentizität und ihr komplexes Innenleben abgesprochen. Zum anderen werden bereits marginalisierte Gruppen, wie beispielsweise nicht-hyperfeminine Frauen oder solche, die nicht dem Schönheitsideal entsprechen, als „nicht-echte Frauen“ delegitimiert.
So entführt die „Doll“-Metapher die Kategorie „Frau“ weg von lebendigen Individuen hin zu einem statuären Schönheitsideal, das sich gegen die tatsächliche Vielfalt weiblicher Identitäten richtet. Ein weiterer Aspekt ist die Instrumentalisierung der „Puppen“-Rhetorik in politischen und gesellschaftlichen Debatten, insbesondere im Zusammenhang mit dem Thema Geschlechtsidentität. Der Begriff „Protect the Dolls“, der in einigen trans-aktivistischen Kreisen verwendet wird, steht beispielhaft für die Erweiterung und teilweise Neudefinition des Frauenbegriffs. Dabei wird eine spezifische Art von Weiblichkeit – jene, die durch medizinische Eingriffe oder Hormontherapien hergestellt wurde – gefeiert und verteidigt, während das biologische Frau-Sein als altmodisch oder gar ausschließend dargestellt wird. Dies führt zu einem Spannungsfeld, in dem traditionelle feministische Anliegen und die Anerkennung körperlicher Realität von Frauen zunehmend ins Hintertreffen geraten.
Im Kontext der Geschlechterdebatte besteht die Gefahr, dass feministische Errungenschaften wie der Schutz weiblicher Räume oder der Kampf gegen sexistische Diskriminierung untergraben werden, wenn die Definition von „Frau“ zu beliebig gefasst wird. Smith weist darauf hin, dass die Überhöhung der modifizierten, „doll-artigen“ Erscheinung zur Norm nicht nur real existierende Frauen ausschließt, sondern auch eine Form der Entmenschlichung bedeutet. Es wird suggeriert, dass echte Feminität und Weiblichkeit immer eine Form der Oberflächlichkeit, Passivität und fehlender innerer Tiefe nach sich ziehen müsse. Die Parallelen zur technologischen Entwicklung – vor allem zu sexuell orientierten Robotern – verdeutlichen die Gefahren, die von der Entmenschlichung ausgehen. Diese Roboter sind ihrerseits keine Menschen, sondern produktives Werkzeug der männlichen Fantasie und Kontrolle.
Sie symbolisieren eine ideale Frau ohne die „Störungen“ von Bedürfnissen, Wünschen oder Eigenständigkeit. Die Verherrlichung solcher Roboter in bestimmten männlichen Subkulturen – etwa bei Incels – zeigt, wie tief die ablehnende Haltung gegenüber realen, selbstbestimmten Frauen verwurzelt ist. Die Mode- und Schönheitsindustrie spielt eine zentrale Rolle bei der Verfestigung des „Doll“-Bildes. In vielen Kampagnen und Modenschauen werden extrem schlanke, kindlich wirkende und künstlich wirkende Frauenkörper als Ideal präsentiert. Das Phänomen, dass Kinder und Jugendliche dieser Ästhetik nacheifern und ihre Identität um ein verkürztes, oberflächliches Bild von Weiblichkeit formen, ist eine direkte Folge dieser Dynamik.
Während solche Trends früher als problematisch erkannt und kritisiert wurden, genießen sie heute teilweise Akzeptanz, zum Teil gar Lob als Ausdruck von Individualität und Selbstentfaltung. Eine Rückbesinnung auf den feministischen Grundsatz, Frauen als vollständige Menschen mit komplexen Bedürfnissen und eigenen Lebensentwürfen zu respektieren, wird damit dringlicher denn je. Feminismus sollte nicht Aufgabe oder Ziel haben, die Menschlichkeit von Frauen zu relativieren oder durch symbolische ‚Dollifizierung‘ zu ersetzen. Vielmehr gilt es, gegen die neue Form der Entmenschlichung anzukämpfen, die in modernen Idealen von Weiblichkeit steckt. Die Kritik an der „Doll“-Metapher ist daher nicht als Ablehnung von Körper- oder Geschlechtsmodifikation zu verstehen, sondern als Aufruf, die Vielfalt von Identitäten und Ausdrucksformen zu respektieren – ohne dass dabei die zugrundeliegende Menschlichkeit verloren geht.